Jules Verne

Die Jagd auf den Meteor

SF. Piper Verlag, 279 Seiten. 19.90 EUR . ISBN: 3-492-70105-1

Satirisch: der Fang des Goldmeteors
Jules  Verne: Die Jagd auf den Meteor

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Ein Meteor aus reinem Gold nähert sich der Erde. Ein Wettrennen aller Staaten und Mächte nach diesem Wertobjekt setzt ein. Der geniale Privatmann Xirdal aber hält den Trumpf in der Hand: Er konstruiert einen Apparat, mit dem er den Meteor lenken kann. Und er lenkt ihn auf ein zuvor gekauftes Stückchen Land. Truppen rücken an, gesteuert von der Macht und Goldgier ihrer Befehlshaber. Ob das wohl gut geht?

Der Autor
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Jules Verne wurde 1828 in Nantes geboren und starb 1905 in Amiens. Bereits während seines Jurastudiums schrieb er nebenher, manchmal mit einem Freund, Theaterstücke und Erzählungen. Sein erster Erfolgsroman "Fünf Wochen im Ballon" erschien 1863. Seine großen Romane waren in der Folge Bestseller. Heute wird er neben H.G. Wells als einer der Begründer der modernen Science Fiction-Literatur angesehen.

Mit "Die Eissphinx" schrieb er eine Fortsetzung von E.A. Poes Horrorerzählung "The Narrative of Arthur Gordon Pym". Sein erster Zukunftsroman "Paris im 20. Jahrhundert" lag lange Zeit verschollen in einem Tresor und wurde erst vor ca. 20 Jahren veröffentlicht. Die Lektüre lohnt sich, auch wegen der erhellenden Erläuterungen der Herausgeberin.

Zu dieser Ausgabe
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Als Jules Verne vor hundert Jahren am 24. März 1905 starb, war sein Roman »Die Jagd auf den Meteor« unveröffentlicht geblieben. Im Auftrag des Verlags, dem das Werk zu politisch und kritisch erschien, arbeitete Vernes Sohn Michel es um, fügte Figuren hinzu und veränderte ganze Erzählstränge. Alle bisherigen deutschen Übersetzungen beruhten auf dieser bearbeiteten Version. Nun liegt erstmals die von Jules Verne erdachte Originalfassung des fesselnden Abenteuers vor

Handlung
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Die meiste Zeit spielt die Handlung in der braven Stadt Weston im US-Bundesstaat Virginia. Das genaue Jahr ist unbestimmt, doch es gibt einen kleinen Hinweis: Die US-Flagge hat zu diesem Zeitpunkt nur 43 Sterne statt der heutigen 50. Und es ist Frühling. März, um genau zu sein.

Prolog

Obwohl es wenig zur Haupthandlung beiträgt, sei doch erwähnt, dass die Geschichte mit einer Blitztrauung beginnt. Miss Arcadia Walker, 24 und ebenso schön wie wohlhabend, heiratet Seth Stanford, einen Globetrotter, und zwar vor dem Haus des ehrenwerten Friedensrichters John Proth - zu Pferde. Will heißen, keiner der beiden Brautleute fühlt sich bemüßigt, vom Ross zu steigen. Im Pferdeland Virginia werden diese Dinge eben pragmatisch erledigt. Es kann aber auch ganz anders laufen. Im späteren Verlauf der Handlung begegnen wir den beiden wieder, so etwa bei ihrer - ebenso rasch erledigten - Scheidung. Richter John Proth fällt eine wichtige Rolle im nun folgenden Drama zu.

Die Entdeckung des Meteors

Das bis dato noch friedliche Weston beherbergt zwei Hobbyastronomen: Dean Forsyte, 45, und Dr. Sidney Huddleson. Forsytes Neffe Francis Gordon gedenkt am 18. Mai die hübsche Jenny, Huddlesons Tochter, zur Frau zu nehmen. Durch die Ereignisse an und nach diesem 16. März scheint sich dieses freudige Ereignis jedoch in ernster Gefahr zu befinden, niemals stattfinden zu können. Morgens um sieben beobachten die beiden Astronomen unabhängig voneinander einen Meteor, der die Erde umkreist.

Nach dieser epochalen Beobachtung gehen dem Direktor der Sternwarte von Pittsburgh am 24. März zwei Briefe beinahe identischen Halts zu: Sowohl Forsyte als auch Huddleson beanspruchen das Recht, den Meteor entdeckt zu haben, jeweils für sich. Diese Tatsache ist auch umgehend Gegenstand eines Artikels in der Lokalzeitung Westons. Noch bleibt alles friedlich, wenn sich auch die beiden Entdecker nicht mehr grün sind. Schon bald macht sich die Satirezeitschrift "Punch" über ihren Ruhmeseifer lustig.

Goldrausch

Die Lage ändert sich, als die Sternwarte von Paris in alle Welt hinausposaunt, der gesichtete Meteor bestehe aus purem Gold. Natürlich nicht in geschmolzener Form, sondern durchsetzt mit Löchern und Rissen. Zunächst schätzen die Amateure einen falschen Durchmesser, doch dann entscheidet Pittsburgh: Wenn die Masse des Himmelskörpers 1,867 Mio. Tonnen beträgt, so liegt sein Goldwert bei nicht weniger als 5,8 Trillionen Dollar!

Milliardäre

Sofort erklären sich Forsythe und Huddleson zum Besitzer des Meteors und zu Multimilliardären. Wäre die Bevölkerung von Weston nicht schon längst in zwei Parteien zerfallen, spätestens jetzt gingen der Streit und die Schlägereien los. Wenigstens kommt keiner der beiden an das Gold heran, sonst wäre alles noch viel schlimmer. Aber jeder fragt sich jetzt: Wo wird der Meteor abstürzen? Der eine sagt: Japan, der andere sagt: Patagonien. Die Sternwarte Boston mischt sich ein und sagt: Alles Blödsinn! Für die Besitzansprüche der Astronomen auf noch nicht abgestürzte Flugkörper erklärt sich das Westoner Gericht unter dem wackeren Richter John Proth nicht zuständig.

Unerhörte Tricks

In Paris gibt es einen wohlhabenden jungen Erfinder namens Zehyrine Xirdal, der nicht nur ein Genie ist, sondern auch beste Beziehungen zur Bank seines "Onkels" Monsieur Lecoeur unterhält, welchselbiger die Ehre hat, sein Geld verwalten zu dürfen. Nachdem er aus der Zeitung vom Meteor erfahren hat, fordert Xirdal vom Onkel 10.000 Francs und ein Grundstück. Und wo, bitteschön? Dort, wo der Meteor abstürzen wird. Woher er diesen Punkt bereits kenne? Xirdal antwortet: Ich werde es so einrichten.

Gesagt, getan. Xirdal baut ein mysteröses Maschinchen, das der Banker nicht versteht, aber das dennoch seinen Zweck erfüllt: Durch bis dato unbekannte Gravitationsstrahlen gelingt es Xirdal, die Bahn des Meteors nach seinen Wünschen abzulenken. Dadurch gerät der Leiter der Sternwarte Boston, der ansonsten so reputierliche Mr. J.B.R. Loewenthal, schwer in die Bredouille, denn alle seine Berechnungen und Voraussagen erweisen sich plötzlich als Makulatur.

Huddleson und Forsyte sehen sich veranlasst, ihre angebrochenen Reisen nach Japan und Patagonien abzubrechen und heimzukehren. An die Hochzeit von Francis und Jenny ist natürlich nicht mehr zu denken: König Chaos regiert. Aber noch lassen die Verlobten die Hoffnung nicht fahren, denn irgendwann MUSS der Meteor doch fallen, oder?

Der Tag des Absturzes

Unterdessen ist eine internationale Konferenz einberufen worden, die entscheiden soll, wie mit dem zu erwartenden Goldsegen zu verfahren sei. Xirdal schickt den Diplomaten zwar ein Telegramm, er sei der Besitzer des Meteor, doch vergesslich, wie er ist, unterlässt er es, seinen Namen darunterzusetzen. Es wird nicht weiter beachtet. Da verkündet Boston, der Meteor werden etwa am 19. August bei Uppernarvik in Westgrönland niedergehen. Dänemark, die Kolonialmacht Grönlands, jubelt und entsendet als Bevollmächtigten Erich von Schnack ins Polargebiet.

Innerhalb weniger Wochen findet sich trotz schneidender Kälte rund 3000 Ausländer in dem kleinen Städtchen ein. Sie erleben eine Überraschung: Uppernarvik liegt auf einer Insel und ist ringsum von Meer umgeben, das bis in eine Tiefe von 2000 bis 3000 Metern reicht. Was, wenn der himmlische Goldklumpen ins Wasser fiele? Huddleson, Forsyte und alle Abenteurer, die sich hier eingefunden haben, beginnen nervös und trotz der Kälte zu schwitzen.

Doch sie bleiben nicht lange allein. Nach dem Absturz des Meteors um exakt 6:57:35 Uhr am 19.8. finden sich unvermittelt mehrere Kriegsschiffe aller wichtigen Nationen des Erdballs ein. Da wird Herr von Schnack viel protestieren müssen. Doch man stelle sich seine Überraschung vor, als er mit einer Horde von 3000 Neugierigen (darunter den Erstentdeckern) durch Eis, Wind und Schnee zur Absturzstelle eilt - und von einem Drahtzaun gestoppt wird, auf dem ein Schild prangt: "Privatgrundstück! Zutritt verboten!"

Mein Eindruck
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"Am Golde hängt, zum Golde drängt doch alles!" Mit diesem Goethevers ließe sich die Handlung, die Verne in einem seiner letzten Romane ausgearbeitet hat, im Groben umschreiben. Es ist nicht nur eine Kritik an der verbreiteten Gier nach materialistischer Werten. Verne starb 1905, als sich die Nationalstaaten nicht nur Westeuropas so ziemlich den ganzen Rest der Welt angeeignet hatten. Nur noch neun Jahre bis zum großen Knall, dem Ersten Weltkrieg. Der Roman lässt sich als Warnung auffassen.

Was Verne voraussah, waren der Zank um den Besitz fremder Menschen, Völker oder Länder, der sich im Zuge des Kolonialismus über die ganze Welt ausgebreitet hatte. Überall sah er Zwist statt Einigkeit, sogar auf den internationalen Konferenzen, von denen er eine in seinem Roman stattfinden lässt und die ergebnislos im Sande verläuft, da die Teilnehmer hoffnungslos zerstritten sind.

Die Parabel

Er braucht für seine warnende Parabel nur noch zwei Faktoren: ein Ding von ungeheurem Wert und jemanden, der es sich zu beschaffen weiß. Schon geht das schönste Wettrennen los, wie es die Welt anlässlich des Goldrausches in Alaska anno 1890 erlebt hatte. Und was, wenn sich jemand diesen Reichtum mit Hilfe einer genialen Erfindung unter den Nagel reißen könnte? Würde er mit seinem Fang glücklich werden?

Es lebe der Kapitalismus!

Naja, wenn nicht Xirdal selbst, so doch zumindest sein findiger Onkel, der Bankier, der die Aktienmärkte zu manipulieren weiß wie kein zweiter. Schon damals also sah Verne die virtuellen Werte, die die Aktien darstellen, beziehungsweise die entsprechenden Insiderinformationen als eine Gefahr für die Weltwirtschaft an. 24 Jahre Jahre nach seinem Tod kam der große Börsenkrach an der Wall Street und ließ seine schlimmsten Befürchtungen wahr werden.

Untergang des Mikrokosmos

Dies ist der Makrokosmos, doch der Mikrokosmos eines Gemeinwesens wie Weston kann ebenso in Mitleidenschaft gezogen werden. Der Astronomenstreit spaltet die Stadt ebenso wie die Familien und lässt Francis' und Jennys Vermählung zunehmend unwahrscheinlich erscheinen. Auf einmal ist die private Zukunft unmittelbar gefährdet: Es ist eine andere Art von Krieg, die hier stattfindet, die aber dennoch eine klare Folge hat: Zwar nicht den Tod von Menschen (noch ist niemand bei den Schlägereien zu Tode gekommen), aber zumindest das Ausbleiben von Nachwuchs. Und was wird dann aus den Alten?

Die Figuren

Sprachlich ist der Text recht einfach gehalten, er weicht auch in Sachen Charakterisierung nicht von Vernes Methode ab, seine Figuren kurz und knapp zu definieren (es fehlen nur noch die Playmate-Maße von Jenny Huddleson und Arcadia Walker). Aber durchweg ist Vernes geradezu sarkastischer Humor zu spüren, wenn er die Figuren einem Wechselbad von Gefühlen aussetzt. Jenny und ihre Schwester weinen "Wasserfälle", und selbstredend raufen sich die Entdecker die ergrauenden Haare. Es geht sehr emotional zu, besonders als sich die Entdecker dem Objekt ihrer Begierden und Träume selbst gegenübersehen und ob der glühenden Hitze des Meteoriten schier verzweifeln.

Im völligen Kontrast dazu steht der völlig verantwortungslose junge Erfinder Xirdal. Schon sein säuselnder Vorname Zephyrine erinnert an den antiken Südwind Zephyr und beschreibt den moralischen Ernst seiner Lebensauffassung genau. Als ihn ein Kumpel zu einem Strandurlaub einlädt, überlegt Xirdal nicht lange und sagt zu. Er macht sich einen faulen Lenz, während sich die restliche Welt im freien Fall Richtung Chaos befindet. Dass er obendrein vergesslich ist, überrascht uns nicht.

Kritisiert Verne in Xirdals Figur die Fin-de-siècle-Stimmung seiner Zeit: das Dandytum, die Sorglosigkeit, den Tanz auf dem Vulkan? Es erscheint nicht unwahrscheinlich. Leider gibt es keine moralische Instanz, die Xirdal in die Hand fällt. Denn Richter Proth weilt fern von Grönland und Paris.

Unterm Strich
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Auch eine warnende Parabel wie "Die Jagd nach dem Meteor" kann Spaß machen, wenn sie richtig erzählt und dargeboten wird. Für Vernes Oevre ist dieser Roman ja nicht gerade der erste Versuch, einen Weltherrscher in spe zu porträtieren. Neu ist hingegen, dass dieser potentielle Weltherrscher, nämlich Z. Xirdal, ein verspielter, vergesslicher junger Mann ist, dem jegliches Verantwortungsbewusstsein abgeht.

Auch der Grund, warum er den Zankapfel, nach dem alle Welt giert, aus eben dieser Welt schafft, passt genau zu ihm: Es ist ihm zuviel Stress und davon hat er bald die Nase voll. Er lebt nach dem Lustprinzip und kennt keine Pflicht. Das Gold ist ihm schnuppe, denn er braucht es nicht, lebt er doch vom Erbe seiner Vorfahren. Er wollte nur zeigen, dass er ein Genie ist. Dumm nur, dass genau dieser Punkt niemanden zu interessieren scheint. Die Welt, sie ist nun mal undankbar.

Michael Matzer (c) 2005ff

Info: 1908, Die Originalfassung; Aus d. Französ. v. Gaby Wurster 279 S., gebundene Ausgabe, Januar 2005 - Piper Verlag GmbH, ISBN: 3-492-70105-1, 19,90 EU.


Pro: spannend, sehr unterhaltsam, recht emotional, sarkastischer Humor, Kritik an gewissen Missständen der westlichen Gesellschaft,
Kontra: nichts






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