Tricia Sullivan

Lethe

SF. Heyne, München. ISBN: 3-453--

Tricia  Sullivan: Lethe

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Sprung ins Wasser

Nach der griechischen Sage galt es bei der Reise ins Totenreich, den Hades, zwei Flüsse zu überqueren. Über den Styx brachte den Reisenden der Fährmann Charon. Doch nachdem Gerichtetwerden durch die drei Totenrichter durften die guten Seelen zu den elysischen Gefilden weitergehen. Bevor sie dort in ewiger Glückseligkeit "leben" durften, mußten sie den Lethe überqueren, den Strom des Vergessens.

Die Legende schlägt schon zwei Grundthemen von Tricia Sullivans erstaunlich gutem Erstlingswerk "Lethe" an: Wasser als Element und Grenze bzw. Übergang, sowie Gerechtigkeit und Richten. Denn die Menschheit ist im 22. Jahrhundert am Ende ihrer Existenzfähigkeit angelangt. Neue Hoffnung kann nur ein Übertritt in radikal andersartige Umstände bringen. Insofern geht es in "Lethe" um Revolution.

Nachdem im 21. Jahrhundert die Forschungs- und Entwicklungslabors der großen Genkonzerne wie Ingenix, Helix und Gen9 von Ökoterroristen gestürmt worden war, die deren Inhalt freisetzten, wurde die Menschheit weltweit zum Opfer freigesetzter Virenkulturen. Die "bösen Wissenschaftler" wurden hingerichtet oder verschwanden von selbst von der Bildfläche. Die sogenannten "Gen-Kriege" machten weite Gebiete unbewohnbar, und die Menschen zogen sich in Kuppelreservate zurück.

Im Sonnensystem gibt es noch unberührte Kolonien, doch die Raumfahrt ist stark eingeschränkt. Auf dem kleinen Planeten Underkohling jenseits der Plutobahn werden vier Wurmlöcher in eine andere Dimension entdeckt. Ein Forscher, Daire Morales, verschwindet durch das vierte Loch – und landet auf einem paradiesischen Wasserplaneten. Seine Bewohner, meist junge menschliche Kinder haben ihn Dilarang getauft, das heißt "verborgen". Wie Daire herausfindet, handelt es sich bei den Kindern um die Nachkommen entkommener Ingenix-"Verbrecher".

Alle Erwachsenen bis auf die jugendlich erscheinende Tsering sind bereits gestorben, als Daire ankommt und das Geheimnis der Kolonie lüftet: Die Kinder verwandeln sich nach einer gewissen Zeit in etwas, das sie als Monster betrachten: eine Lebensform, die nur im Wasser des Ozeans überleben kann, der die Insel der Kinder umgibt. Die Ingenix-Leute haben die Evolution des Menschen so manipuliert, daß seine Zukunft im Meer liegt.

Auf der verwüsteten und halbwegs wieder gesundeten Erde wird das Wurmloch auf Underkohling von der "Liga der Neuen Alchimisten" untersucht. Es handelt sich um eine Verbindung aus Gehirnen, die an Computer angeschlossen sind, ihren wissenschaftlichen Helfern und den Delphinen, die sich quasi telepathisch mit diesen Helfern und Gehirnen verständigen können. Die junge Helferin Jennae kommt hinter das Geheimnis der Gehirne: Es handelt sich um die verschwundenen Ingenix-"Verbrecher". Nun leiten sie den Gang der Dinge, steuern die lebenswichtige Infrastruktur der Computernetze und Reservate – und mögen es gar nicht, wenn man sie hintergeht oder gar entlarvt. Jennae muß fliehen, doch sie erhält Gelegenheit, über die Gehirne zu richten und mit ihnen abzurechnen.

Zusammen mit dem Oxford-Gelehrten Colin, der mit Daire Morales auf Underkohling gewesen war, und Delegierten der Gehirne schmuggelt sie sich auf eine Expedition zu Underkohling. Dort entdecken sie, daß Daire noch lebt und eine verheißungsvolle Welt gefunden hat. Verfolgt von einer Art Raumpatrouille gelingt es Jennae, ihr Schiff durch das Wurmloch zu steuern und sicher zu landen. Auf Dilarang, wo sich Daire mit der von ihm geliebten schwangeren Tsering auf die Ankunft der Fremden vorbereitet hat, nimmt Tsering mit Hilfe eines telepathischen Pflanzenwesens namens Lywyn, eine Art Urwald, Kontakt mit den Gehirnen auf. Danach, so lautet später die Kunde der Raumpatrouille, hat man nie wieder etwas von den Gehirnen gehört. Als Folge bricht auf der Erde das Chaos aus. Doch auf Dilarang verwandelt sich Tsering nach der Geburt ihres Kindes in das, was Daire die ganze Zeit befürchtet hatte – in ein Geschöpf des Ozeans, das dort lebt, wohin ihm Daire nicht folgen kann.

Tsering, die nächste Stufe der menschlichen Evolution, hat ihren Fluß Lethe gefunden und ist nun unerreichbar für das "alte Modell". Sie selbst hat die Erinnerung an das alte Leben abgestreift. Es kommt nun darauf an, daß die neuen Dilarang-Kolonisten von der Erde ebenfalls den Übertritt in ein neues Dasein schaffen: Auch wenn sie sich dabei physisch nicht verändern, so werden doch die Kinder, die sie mit den Ingenix-Nachkommen zeugen, wieder im Ozean enden, wie Tsering.

"Lethe" ist eine schöne Lektion, wie geheimes Wissen, richtig genutzt, die Menschheit weiterbringen kann. Allerdings macht die Autorin auch klar, daß dieser Prozeß nicht ohne große Verluste ablaufen kann: reaktionäre Kräfte wie die "Koalition der Reinen Menschen" stemmen sich gegen jede Veränderung, auch wenn sie sich dabei den eigenen Ast, auf dem sie sitzen, absägen.

Fazit

Der Roman überzeugt durch Charaktere, die erstaunlich facettenreich und tief gezeichnet sind, so daß ihr Schicksal den Leser anrührt. Das gilt für Jennae, Daire und Tsering. Auch mit der Schilderung der fremden Umwelt auf Dilarang weiß Tricia Sullivan zu verzaubern: Der Lywyn bietet zahlreiche verblüffende Eigenschaften und Möglichkeiten, so etwa die Kontaktaufnahme mit ferner Vergangenheit. Die Schilderung der irdischen Delphine zeugt von Sachkenntnis und tiefer Sympathie mit diesen intelligenten Säugern. "Lethe" ist ein Beispiel gelungener "Soft-Science"-SF.

Michael Matzer / michael@matzer.de ©1998ff

Info: Lethe, 1995; 574 Seiten, aus dem US-Englischen von Jakob Leutner

 






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