Peter Schwindt

Justin Time: Der Fall Montauk

Jugend. Loewe, Bindlach. 336 Seiten. 14.90 EUR . ISBN: 3-7855-5185-1

Showdown am Leuchtturm der Gedankenstrahlen
Peter  Schwindt: Justin Time: Der Fall Montauk

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Justin ist ein vorwitziger Junge, den es nicht ruhig in seinem englischen Internat hält, seit seine Eltern vor sieben Jahre bei einem Experiment mit einer Zeitmaschine verschwunden sind. Er reist ihrer Spur nach und stößt auf einen Krieg der Zeitagenten, in dem es um die Vorherrschaft über die neue Technik gerungen wird: Denn wer die Macht hat, die Vergangenheit zu ändern, beherrscht automatisch die Gegenwart. Doch auf welcher Seite stehen seine Eltern? Justin muss es herausfinden, bevor es - buchstäblich - zu spät ist. Er ahnt nicht, dass er selbst der Schlüssel zum Rätsel ist.

Der Autor
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Peter Schwindt ist der deutsche Autor der "Justin Time"-Trilogie, in der zuvor der Band "Zeitsprung" erschienen ist. Die Abenteuer des Helden Justin Time, der seine Eltern in den Zeiten sucht, sind für junge Leser ab zwölf Jahren geeignet.

Schwindt wurde 1964 in Bonn geboren. Nachdem er als Volontär und Redakteur für verschiedene Verlage gearbeitet hatte, betreute er zahlreiche Erwachsenen-Comics und arbeitete in der PC-Spielebranche. Seit 1997 ist Schwindt freiberuflich tätig und schreibt unter anderem als Hörspiel- und Drehbuchautor für Radio und Fernsehen. Witzig: Er gründete eine Bauchtanz-Agentur. Er lebt mit Frau (eine Bauchtänzerin?) und Tochter im Siegerland.

Die "Justin-Time"-Romane sind seine ersten Romane. Sie beruhen auf den drei Hörspielen, die Schwindt 2000 für den WDR schrieb. (Ich habe zum Teil auf Verlagsinfos zurückgegriffen.)

Handlung
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**Vorgeschichte

Der vierzehnjährige Justin Time reiste im ersten Band "Zeitsprung" ins Jahr 1862. In London musste er auf der Suche nach seinen verschwundenen Eltern Abenteuer à la "Oliver Twist" durchstehen und kehrte mit einer neuen Freundin in sein angestammtes Jahr 2384. Fanny hatte in einem Londoner Armenhaus gelebt, und das Leben dort war beileibe kein Zuckerschlecken. Justin suchte nach der berühmten Rechenmaschine des Charles Babbage, bekam von Charles Darwin einen unschätzbaren Gefallen erwiesen, ein Schurke namens Der schöne Bertie fiel ordentlich auf die Nase, und Fanny erlitt einen schrecklichen Verlust. Mehr sei nicht verraten.

**Hauptgeschichte

Man schreibt zwar das Jahr 2384, aber in England, das noch nicht in der Nordseee versunken ist, gibt es immer noch die guten alten Internate. Und wieder einmal langweilt sich der aufgeweckte Justin fast zu Tode. Und da er es nicht geschafft hat, seine verschwundenen Eltern wiederzufinden, macht er sich immer noch Sorgen um sie. (Und wer soll dann sein Schulgeld zahlen?)

Da hilft ihm der Gärtner, ein Faktotum, das nur "Der Kapitän" genannt wird. Mit ihm und Fanny begibt er nach Kanada, wo er er eine Spur zu finden hofft. Im hohen Norden an der Hudson Bay geht auch zunächst alles gut, doch dann manipuliert ein Unbekannter den Schweber, an dem der Kapitän werkelte. Der gute Mann wird halbtot ins Krankenhaus gebracht. Beim Versuch, am Schweber nach dem Rechten zu sehen, schließt das Vehikel ihn und Fanny ein und schwirrt ab, gesteuert vom Autopiloten. Nur ein Sturm zwingt sie zum Landung; es ist wohl mehr ein Absturz.

Zum Glück genau an der richtigen Adresse. Professor Curicaberis gehörte dem Forschungsteam von Justins Eltern an. Endlich bekommt Justin die Zusammenhänge erklärt. Es ging um das Projekt AION, das zur Entwicklung und dem Einsatz einer funktionierenden Zeitmaschine führte. Sie brachte zwar bei jedem Einsatz das Stromnetz von Oxford zum Zusammenbruch, doch die Erfinder waren völlig aus dem Häuschen.

Allerdings herrscht über die Anwendungsmöglichkeiten jeder Erfindung mitunter Uneinigkeit. So auch hier. Justins Eltern Avery und Annie wollten damit die Geschichte korrigieren, um all die Gräuel der Geschichte zu tilgen oder wenigstens zu lindern. Sie werden die Revisionisten genannt. Ihnen stehen die Konservativen gegenüber. Sie befürchten schwerwiegende Folgen für die etablierte Gegenwart, falls jemand in die Vergangenheit eingreift. Man kennt das ja von "Zurück in die Zukunft": Wenn ich meine Großmutter umbringe, kann ich dann jemals geboren werden?

Justins Eltern verschwanden also, aber warum? Um den Missbrauch der Zeitmaschine zu verhindern, wurde jedenfalls von den Konservativen eine Geheimagentur gebildet, die von Catherine Janus geleitet wird. Ihre Agenten wiederum schauen in bestimmten Epochen nach dem Rechten und rekrutieren dort auch freiwillige Mitarbeiter. Leider muss Justin im weiteren Verlauf der Handlung feststellen, dass Agenten mitunter auch für beide Seiten arbeiten können.

Nachdem Justin das Holovideo angesehen hat, das ihm der Professor gegeben hat, wird ihm klar, dass er nun eine Chance hat, AION auf den Grund zu gehen und so vielleicht den Verbleib seiner Eltern herauszubekommen. Auf dem Video ist der Leuchtturm von Montauk Point auf Long Island zu sehen.

Doch Justin wäre es niemals gelungen, in das gesicherte Gebäude der Zeitreiseagentur Chrono Travel von Catherine Janus einzudringen, wenn ihm nicht ein braver Mann namens Herbert Hanfstäckl geholfen hätte. Der will unbedingt seinen Schwager Alois Bierbichler zurückhaben, der als deren Assistent zusammen mit Justins Eltern in der Zeit verschollen ist.

In den Wartungstunneln unter dem Gebäude von Chrono Travel schlagen sich Justin, Fanny und Hanfstäckl mit krakenförmigen Robotern à la "Matrix" herum, die ihnen mit Laserstrahler den Garaus machen wollen. Der Zeitsprung gelingt, aber Hanfstäckl müssen sie zurücklassen.

Auf Long Island im Jahr 1983 stellen Fanny und Justin schon bald fest, dass es im Umkreis des Luftwaffenstützpunktes von Montauk von Verrückten wimmelt. Was könnte die Ursache sein? Werden hier illegale Experimente mit der Bevölkerung durchgeführt? Als eine Zeitagentin auftaucht und Fanny entführt, hat Justin nichts mehr zu lachen. Er muss seine Freundin schnellstens retten. Wer weiß, was man mit ihr anstellt.

Mein Eindruck
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Manche von uns kennen den unterhaltsamen Science Fiction-Film "Das Philadelphia-Experiment", in dem Michael Paré eine seiner ersten Rollen spielte: einen Matrosen. Das war in den Achtzigern. Darin unternimmt die US-Navy 1943 einen verhängnisvollen Versuch, eines ihrer Schiffe, die USS Eldridge, gegen das Radar der deutschen U-Boote "unsichtbar" zu machen. Der Versuch gelingt - bedingt. Die "Eldridge" verschwindet zunächst, taucht dann wieder im Hafen von Philadelphia auf (daher der Experimentname).

Doch die Veränderungen, die die Beobachter an Bord vorfinden, sind Grauen erregend. Manche der Matrosen sind mit den Decksaufbauten verschmolzen und stecken im Stahl. Die Hypothese des Films besteht nun darin, dass drei der Matrosen aus dieser Zeit herauskatapultiert und 40 Jahre später wieder im Westen auftauchen. Dort beginnt ihre Odyssee nach Hause. Doch Parés Figur stößt auf ein zweites Philadelphia-Experiment, das weitaus verheerender zu enden droht.

Soweit der - durchaus gelungene - Film.

In "Der Fall Montauk" greift Peter Schwindt den Fall wieder auf und erklärt seine Geschichte. Anders als vermutet haben die Amerikaner jedoch ihre Experimente à la "USS Eldridge" keineswegs eingestellt. Die Luftwaffenbasis, die im Jahr 1983, als Justin eintrifft, aufgelöst wird, birgt daher ein düsteres Geheimnis, das mit AION zu tun hat. Dieses gilt es aufzudecken, und vor Ort hilft Justin einer der "Verrückten". Max Briggman hat man seine Erinnerungen gestohlen. Und seine Tochter Susan ist deswegen schier am Verzweifeln.

Wie sich zeigt, können Fanny und Justin diesen beiden armen Menschen helfen. Dafür müssen sie sich jedoch, ohne es zu ahnen, in große Gefahr begeben...

Wie man sieht, gelingt es dem Autor, den zunächst so harmlos beginnenden Fall Montauk zu einem spannenden Suchspiel aufzubauen, das den Leser durch zahlreiche erzählerische Kniffe bei der Stange hält, und zwar bis zum Schluss. Dabei erlebt man die Geschehnisse nicht immer nur aus dem Blickwinkel von Justin und Fanny.

Menschliches Drama

Allerdings ist dies keine Schnitzeljagd à la "Sakrileg", sondern wird durch die beiden Figuren von Susan und Max Briggman zu einem menschlichen Drama, das den Leser durchaus zu bewegen weiß. Die Not, in der sich Susan befindet, als ihr "verrückter" Vater verschwindet, ist durchaus glaubhaft dargestellt. Wer möchte schon mit 16 Jahren zur Vollwaise und Ausgestoßenen werden? Es dauert eine ganze Weile, bis die brave Susan auf Beweise stößt, dass sie Opfer einer Verschwörung geworden ist.

Ebenso glaubwürdig, wenn auch wesentlich seltsamer ist das Schicksal, das Max Briggmann, widerfährt. Er selbst versucht verzweifelt, seinen Kopf abzuschirmen, den offenbar Strahlung von der Air Force Basis unter Beschuss genommen hat. Daher ist sein durch Antennen abgeschirmter Kopf doch recht merkwürdig anzuschauen. Aber vielleicht haben die beiden Besucher aus der Zukunft einen Tipp für ihn, was los ist? Und dass sie aus der Zukunft kommen, sieht man schon an Justins T-Shirt, auf dem hinten "Argentina Weltmeister 1986" steht...

Nur Science Fiction?

Nun könnte der eine oder andere Leser vielleicht meinen, diese Strahlung und ihre Auswirkungen seien an den Haaren herbeigezogene Science Fiction. Dass aber unsere Gedankenimpuls auf elektrochemische Weise weitergeleitet werden, dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben. Also sind sie auch auf elektronische Weise zu stören. Und was simple Radarstrahlen anrichten, könnten uns ein paar Radartechniker der Bundeswehr berichten, die gegen ihren früheren Arbeitgeber wegen Körperverletzung klagen.

Lausige Logik? Oder doch Magie?

Natürlich wird an keiner Stelle erklärt, wie die Zeitmaschine funktioniert. Das gelang schon ihrem Erfinder H.G. Wells nicht. Und es ist auch nicht wirklich wichtig. Wichtig ist das Drama, das dadurch ins Rollen gebracht wird: das Verschwinden von Justins Eltern und seine Jagd nach ihnen, eingebettet in einen Zeitkrieg, dessen Umrisse erst allmählich erkennbar werden.

Genauso wenig werden Geräte wie Emitter - eine Art Tarnkappe Marke Alberich - und Transponder für die Rückholung von Zeitreisenden erklärt. Das sind lediglich "gadgets" und ebenfalls unwichtig. Und Floater, also Scheber, kann man sich leicht vorstellen. Dass sie aber erst im 24. Jahrhundert zur Verfügung stehen, kommt mir doch weit in die Zukunft verlegt vor.

Herbert Hanfstäckl hat mir am meisten Bauchschmerzen bereitet. Er ist ein Konservativer, wie er im Buch steht. Er konserviert alles, was schon heute leicht anachronistisch ist: Vinyl-Schallplatten beispielsweise. Wenigstens kann er Fanny und Justin mit echten Dollarnoten, die vierhundert Jahre alt sind, aushlefen. Auch wenn sie etwas müffeln...

Wie schon oben angedeutet, gibt es noch englische Internate - und auch sonst nicht viele Veränderungen. Ich könnte mir dieses England auch in 40 Jahre vorstellen, nicht erst in 400. Und das ist eines der größten Mankos von Zeitreiseromanen wie diesem: Der Autor ist gezwungen, seinem jungen zeitgenössischen Leser etwas vorzusetzen, was dieser aus seinem Umfeld - aus Filmen, Videos, Songs - kennt, aber dennoch eine Zukunft zu schildern, die genügend weit entwickelte Technik bietet, dass man sie für glaubwürdig hält.

An dieser Stelle tritt das Clarke'sche Axiom in kraft: "Eine Technologie, die genügend weit entwickelt ist, lässt sich für uns nicht von Magie unterscheiden." Und da niemand Magie erklären kann, braucht man es bei dieser Art Superdupertechnik gar nicht erst zu versuchen.

Witz, komm raus, du bist umzingelt!

Wesentlich interessanter fand ich Schwindts lustige Sprachspiele: Justin = just in Time, Avery = every Time, Annie = any Time. Und an einer Stelle kurz vor dem Finale dachte ich, der Autor bzw. Lektor hätte einen kapitalen Erzählfehler übersehen: Die Stelle wiederholte sich... Aber todesmutig las ich weiter - und siehe da, es handelte sich um einen gar witzigen Einfall. Den aber darf ich euch nicht verraten, terribly sorry!

Unterm Strich
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Nach einem langsamen Start nahm Justins zweites großes Abenteuer mit seiner Ankunft im Jahr 1983 doch ziemlich schnell Dimensionen an, die mich für den Ausgang seiner Erlebnisse interessierten. Schließlich flogen die groß bedruckten rund 310 Seiten nur so vorüber. Wäre ich ein zwölfjähriger, würde ich mich hervorragend unterhalten fühlen, da bin sicher.

Da ich aber kein junger Hüpfer mehr bin, vermisste ich streckenweise etwas die Psychologie und durchweg die Originalität an Schwindts Erzählgarn. Vorbilder wie "The Matrix" habe ich schon erwähnt, auch Wells "Zeitmaschine" ist schwer zu übersehen. Tarnkappentechnik war gerade wieder in Uli Edels Edel-Soap "Die Nibelungen" zu bestaunen. Auch die Verschwörungsopfer Susan und Max Briggman meine ich irgendwoher zu kennen - vielleicht aus dem "Marathon-Mann"? Dass Justin als edler Ritter seine entführte Herzensdame retten muss, dürfte uns auch vertraut vorkommen. Witzig aber fand ich, dass er nach vollbrachter Rettung von ihr böse überrascht wird.

Das alles macht aber nichts, wenn es um den Unterhaltungswert geht. Und der ist ebenso hoch wie der Gehalt an menschlichem Drama und engagierter Aussage. Diese US-Regierung geht wirklich über Leichen, wenn es um die Entdeckung der Zeitreise geht. Und damit wären wir wieder beim "Philadelphia-Experiment". Nur ein Film, oder...?

Hinweis
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Im 3. Band reist Justin nach Sibirien ins Jahr 1908, als dort der so genannte Tunguska-Meteor einschlägt und ganze Wälder plattmacht. Bei dem Versuch (nicht dem "Verlust", wie es im Buch "Der Fall Montauk" heißt), die Pläne seiner Feinde vereiteln, verliert er um ein Haar sein Leben - gäbe es da nicht Lena, ein Mädchen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten.

P.S.:
Ach ja, fast hätt' ich's vergessen: Eure Handys strahlen auch Gedankenstrahlen aus! Aber das habt ihr euch wahrscheinlich schon gedacht. Besonders die SMS- und Klingelton-Junkies unter euch. Also, immer schön das Handy anlassen, damit ihr die Botschaften von Ming dem Gnadenlosen vom Planeten Mongo empfangen könnt!

Michael Matzer (c) 2004ff

Info: Loewe 06/2004, Bindlach; gebundene Ausgabe; 336 Seiten, EU 14,90; ISBN 3-7855-5185-1

PRO: spannend, unterhaltsam, flott erzählt, anrührendes menschl. Drama, witzige Erzähltricks
KON: wenig originell, einfache Psychologie, unglaubwürdiges 24. Jht.






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