carpe librum -- rezensionen

Das Buch ist gemein, gefährlich, aggressiv, direkt, gewalttätig, hart, böse. Es ist stellenweise zart, sehnsüchtig, verständnisvoll. Geradewegs auf das streitsüchtige Terrain der Leser gerichtet. Henry Rollins weiß, dass kompromissloses Denken und Handeln jeden Nerv blank legen. In diese Wunde verspritzt er seine Wörter und Sätze, die gar nicht erst versuchen, ausgleichend oder weitherzig zu sein.

Rollins pendelt im Text zwischen Erzählungen aus dem Tourneealltag eines Rockmusikers und persönlichen Eindrücken aller Art. Gedanken zur Entwicklung des Punk nähern sich in seiner radikalen Sprache einem Thema, das offensichtlich immer noch polarisiert. Selbst vor Publikumsbeschimpfungen schreckt Rollins nicht zurück. Das ist mutig.

Ebenso mutig ist sein Rückblick in die eigene Kindheit, die nur eines in seinen Wünschen hinterließ: Abhauen aus diesem deprimierenden Dasein. „Vor ziemlich langer Zeit, damals, als ich noch lebte, arbeitete ich in dieser Tierhandlung. Ich verbrachte eine Menge Zeit damit, den Abfall rauszutragen. Das konnte ich besonders gut.“ Die typischen Voraussetzungen zur Karriere eines vom Punk beeinflussten, gar verseuchten Künstlers? Derart einfach gestrickt sind Rollins’ Texte eben nicht. Was oft hinter starken Worten und gemeinen Gesten versteckt ist, findet sich auch bei Rollins zwischen den Zeilen: das Angebot, bei richtiger Annäherung an den Autor auch mit menschlicher Wärme und Zuneigung belohnt zu werden. Dieses Ziel jedoch ist ziemlich weit entfernt. Dazu muss erst die Talsohle des Daseins erreicht und, vor allem, erkannt sein. Der deprimierende Blick jedenfalls, den Henry Rollins in seinem Buch zeigt, bleibt nicht unerwidert.

Textauszug:
„Ich hatte ein Messer in der Hand. Ich wollte mir eine Knarre in den Mund schieben ... Stand da wie ein bescheuerter Depp und wartete auf den Todestrip.“