Nick Hornby

Ballfieber

DVD. Splendid Entertainment/WV, ISBN: 4013549894562

Die Angst des Fußballfans vor dem Erwachsenenwerden
Nick  Hornby: Ballfieber

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Nach dem - anhaltenden - Bucherfolg lief die Filmversion von Fever Pitch jüngst an

LONDON. Was sich deutsche Filmemacher an Münchner Stammtischen versichern, davon ist man auch in ganz Großbritannien, von Edinburgh bis Brighton, von Dublin bis hin zum Tresen in Londons Groucho Club überzeugt: Wir sind wieder wer. Das Oscar-prämierte The Crying Game spielte ebenso wie Vier Hochzeiten und ein Todesfall alleine in den USA zig Millionen Dollar ein. Sogar Trainspotting wurde trotz sperrigem Inhalt und schottischem Working-Class-Patois zu einem Kassenrenner weltweit, ganz zu schweigen von Der englische Patient (dessen Crew so englisch freilich gar nicht ist). Englische Filme müssen sich nicht länger zwischen Sozialwohnungen und Bacon & eggs abspielen, sie müssen nicht länger von Ken Loach oder Mike Leigh sein und die Mittelklasse über die SECRETS AND LIES der Arbeiterklasse aufklären.

Verfilmt man dann einen Autor wie Nick Hornby, dessen kompletter literarischer Ausstoß sich in englischen Bestsellerlisten befindet - das autobiographische Ballfieber seit fünf, der Roman High Fidelity zwei Jahren -, dann kann das eigentlich gar nicht schiefgehen. Und schon gar nicht bei einer Story wie der von Ballfieber, dem Drama des Mannes, der eine Frau liebt und gleichzeitig elf Männer verehrt. So reserviert jeder englische Fußballfan dem Proletenverein, dem Hornbys Leidenschaft gilt, gegenübersteht, das Buch kickte sich flott in die Herzen all derer, die sich über ihre Freude am allwöchentlichen Leiden wundern, die zudem bereit sind, Saison ein und aus hunderte Pfund Sterling dafür zu bezahlen, deren Haßliebe zu den Eltern auf dem Niveau Pubertierender umherirrt - und die von ihrer Freundin nicht verstanden werden. Verfilmt man so einen Stoff dann auch noch mit Colin Firth in der Hauptrolle, dann stehen die Zeichen auf Erfolg. Eigentlich. Die Zahlen sprachen Mitte April dafür: Etwas über eine Woche nach dem Kinostart hatte Fever Pitch fast zwei Millionen Mark eingespielt.

"Eins der Geheimnisse des Films", urteilte denn auch Kim Newman, Romancier und Filmkritiker, "ist, daß er dem 'lower-middle class Britain' im selben Maße gerecht wird wie Vier Hochzeiten und ein Todesfall den Fatzken des Landes. Er gehorcht allen Regeln einer klassischen Filmromanze". Freunden des Buches wäre es lieber, wenn die Filmversion nicht gar so klassisch geworden wäre. Denn daß Colin Firth, dem in Der englische Patient die Gattin - Kristin Scott Thomas - von Ralph Fiennes ausgespannt wird, in Ballfieber mehr Zeit mit seiner Freundin als im Fußballstadion verbringt, mißfiel einigen Zuschauern. Es macht den Film aber vermutlich auch universeller, mit Sicherheit universeller als Britpop. Genauso wie im Buch läuft Firth (der Valmont aus Milos Formans Version von Eine verhängnisvolle Affäre) auch im Film Gefahr, mit der Affäre zu seiner Lehrerkollegin Ernst zu machen und erwachsen zu werden, Verantwortung zu übernehmen. Anders als ihm Buch wird die Beziehung des Sohnes zu dem getrennt lebenden Vater, der ihn das erste Mal zu einem Spiel mitnimmt und ihn in all das Leiden einführt, das es mit sich bringt, für ein Team zu sein, das immer nur fast gewinnt, kaum ergründet. "Der Film ist", so resümierte Philip French im Observer, "eine sehr anständige, wenn auch allgemeingültige Sache. Die Schulszenen sind wie aus TV sitcoms, natürlich guten sitcoms", aber eben nicht mehr als Situationskomödie. Für die besten Momente hält French die Rückblenden in die Kindheit. Der ältere, als Fußballfan kindisch gebliebene Firth setzt zwar, wie man andernorts orakelt, mehr Frauenherzen in Bewegung als Fiennes, wird dem Charakter aus "Hornbys Memoiren an ein nicht beneidenswertes Leben für einen der widerlichsten Fußballvereine Englands" (Stuart Jeffries in The Guardian) aber nicht ganz gerecht.

Als Romanze nach Hollywoods Strickmuster und gleichzeitig mit Elementen des englischen Social-Film hat Fever Pitch in England nicht den Aufruhr verursacht, der noch den Machwerken vieler Mitwirkender (Stephen Rea aus The Crying Game, Ken Stott aus Shallow Grave) zuteil wurde. Freundlich aufgenommen wurde er aber von allen Seiten - als Film über das Erwachsenwerden, das den Männern auf der königlichen Insel scheinbar schwerer fällt als den Frauen; und da können sie sich in Fußballspielen genauso verrennen wie in dem Plattenladen von HIGH FIDELITY oder in diesem britischsten aller britischen Hobbies: dem 'Trainspotting', bei dem man im Regen, Thermoskanne im Anorak verstaut, auf Bahnsteigen steht, um über die Nummern auf Lokomotiven Buch zu führen. Das eint die Protagonisten von Hornby: sie sind sogenannte 'anoraks', sie können ihre Väter nicht respektieren, weil sie zuwenig von ihnen verstehen, sie wissen nicht so recht, wie mit der Mutter umzugehen ist, und bleiben im Umgang mit Frauen ganz allgemein auf dem Niveau der Halbstarken - auf sicherer Distanz, den Kopf gefüllt mit halbgaren Phantasien, die sich nach dutzenden, natürlich vor 23.00 Uhr runtergestürzten Pints of Beer nicht mehr so recht rekonstruieren lassen. Alles zu englisch für Gemüter andernorts? Vielleicht.

In Deutschland soll Fever Pitch diesen Herbst ins Kino kommen; Nick Hornby arbeitet an einem weiteren Drehbuch, hat die Rechte an seinem Roman High Fidelity an Mike Newell (Vier Hochzeiten...) und Touchstone Pictures verkauft - und geht weiterhin zu jedem Arsenal-Spiel.

© Matthias Penzel, 2004. Original erschien dieser Artikel in der Frankfurter Rundschau vom 02.06.1997






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