Ian McDonald
Chaga
SF. Heyne, München. 653 Seiten. 19.90 DM . ISBN: 3-453-12634-3
Alien-Invasion - unsere Reporterin vor Ort
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Unsere Frau bei den Aliens heißt Gaby McAslan und stammt – wie der Autor dieses Buches – aus Nordirland. – Das Problem in diesem Satz sind die Aliens: Es gibt sie nicht, zumindest nicht im herkömmlichen Sinne. Aber etwas Alien-Mäßiges existiert da in der Gegend um den Kilimanjaro ganz bestimmt. Wie ein paar deutsche Drachenflieger zu ihrem Leidwesen erfahren mußten, schlug dort in der Nähe ein Meteor ein, der seltsame Lebensformen mit sich brachte. Die Chaga, wie sie bald danach genannt wird (warum, wird nicht klar, da sie doch mit der Hungerkrankheit gleichen Namens nichts zu tun hat), breitet sich mit rasender Geschwindigkeit Richtung Nairobi aus, alle Lebensformen, die nicht fliehen, transformierend – so auch den einen oder anderen deutschen Drachenflieger. Gaby, von einem Nachrichtendienst an die "Front" geschickt, schafft es mit einigen Tricks einen der überlebenden Drachenflieger, der aus der Chaga kam, zu interviewen. Das Interview schockt die Welt. Er wurde von der Alien-Chaga nicht nur ernährt und gewärmt, er verwandelt sich selbst allmählich in eine Chaga-Lebensform! Die Leute fragen sich, ob die Chaga eine Bedrohung oder am Ende gar ein Geschenk ist – die erste Transformation der Menschheit oder ihr Tod? Es wird spannend, je mehr weite Teile Zentralafrikas die Chaga verschlingt. Auf ironische Weise wird hier die Terraformung eines Planeten auf die Erde angewandt – kein angenehmes Gefühl für die Betroffenen. Gaby wird von den Truppen der UNO in die Chaga gejagt – eine Expedition in die Surrealität folgt, die jedoch so realistisch geschildert wird, daß es schon wieder gut ist. McDonald ist ja bekannt für die sonderbar verformten Realitäten, die er entwirft – etwa in "Desolation Road" oder "Necroville" – aber in "Chaga" hat diese Verformung eine bedeutsame Aussage und ist kein Showeffekt. Erinnerungen an Lems "Solaris" werden wach.
Die Welt ist nicht nur über weitere Chaga-Meteore beunruhigt, sondern auch über das mysteriöse Verschwinden des Saturnmondes Hyperion. Wie große Teleskope entdecken, wird er ebenfalls transformiert – ähnlich wie der Jupiter in Clarke’s "2010". Schließlich nähert sich aus dem Saturngebiet ein unbekanntes, aber ziemlich großes Objekt der Erde und parkt im Orbit. Ende. Dieser Schluß schreit nach einer Fortsetzung, und in der Tat folgte sie im Frühjahr 1998 unter dem Titel "Kirinya" im Hardcover. Unbedingt besorgen!
Die Hauptfiguren sind realistisch und vielseitig gezeichnet, allen voran Gaby, die jägerhafte Reporterin, die bis zur Spitze ihres Senders aufsteigt, um dann fallengelassen zu werden. Sie verliebt sich in den Erforscher der Chaga und entdeckt unter der Erde Kenias ein sehr häßliches Geheimnis – dort werden Chaga-Opfer getestet, Telepathen, Schnell-Alternde usw. Erst ihr Geliebter holt sie aus dieser wissenschaftlichen Hölle raus. Eine sibirische Flugzeugpilotin ist ebenfalls sehr interessant – sie hat Schamanen als Vorfahren. Auch die kleineren Götter unter der einheimischen Bevölkerung Kenias sind auffallend und mit Sorgfalt gezeichnet. Hier ersteht vor dem geistigen Auge eine umfassende und vielschichtige Kultur der nahen Zukunft, uns Westeuropäers fast ebenso alien wie die Chaga.
In "Chaga" hat McDonald erstmals gute Action-Szenen geschrieben, so etwa die Flucht vor den UNO-Truppen, bis Gaby und ihr Kamerateam in die Chaga flüchten müssen. Der Roman wurde mit "Kirinja" fortgesetzt, der ebenfalls bei Heyne erschien.
Michael Matzer ©1998ff
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