Michael Mann

Die ohnmächtige Supermacht. Warum die USA die Welt nicht regieren können

Bestseller; Sach. Campus, 357 Seiten. 24.90 EUR . ISBN: 3593373130

Pandora und die Falken
Michael  Mann: Die ohnmächtige Supermacht. Warum die USA die Welt nicht regieren können

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Die von Falken forcierte US-Außenpolitik hat mit dem Angriff auf Irak mehr Probleme geschaffen als gelöst - auch für die bröckelnde Supermacht

Sieht man Buchveröffentlichungen als Indikator für die Trends auf dem Markt der Meinungen, dann drehen sich die Debatten der Saison nicht mehr um die Bedrohung der Menschheit durch Gentechnologie, auch nicht durch Globalisierung, schon gar nicht die Neue Economy. Jeder zweite Sachbuchtitel des Herbstprogramms 2003 kreist um die Bedrohung durch das Neue Empire, auch global agierend, auch mit Hightech-Mitteln, auch die Welt zerspaltend. Anders als das im Jahr 2000 - von Michael Hardt und Antonio Negri - prognostizierte Empire, das da kommen sollte, hat die "neue Weltordnung" kein Zentrum; und bereits begonnen. Der Begriff ist heute anders besetzt - und so hoch im Kurs wie er es lange nicht mehr war; schätzen wir mal, wie er es seit dem Niedergang des Britischen Empires nicht mehr war.

Bereits begonnen hat die Eroberung der Buchhandlungen. Die Ähnlichkeit vieler Titel und Schlagworte ergibt beim Querlesen von zehn Titeln folgenden Zwischenbericht: Das Bush-Imperium verfällt, verschweigt Hintergründe des gewollten Krieges, ist als Weltmacht am Ende, als Supermacht gekränkt und auf der Couch, voller Ohnmacht gegenüber der neuen Weltordnung, der neoliberalen Illusion, überfällig daher der Nachruf. Ein Abgesang auf die Stupid White Men ist natürich etwas voreilig, wie überhaupt mancher Titel mehr auf Bestsellerlisten denn Inhalte zu schielen scheint. Kein Wunder, zur welthistorischen Lage, also zu einem fortlaufenden Prozess, können klige Kommentare kaum in dem Tempo vorgelegt werden, in dem uns Nachrichten erreichen. So wie Moore beschäftigt sich auch Michael Mann nicht erst seit dem 11.9. mit den Mechanismen der Macht. Nach Arbeiten über die Ursprünge der Macht (bis 1760), dann die Entstehung von Klassengesellschaften und Nationalstaaten (von 1760 bis 1914) arbeitet der Soziologie-Professor zurzeit an einem abschließenden Band zur Globalisierung und der Rolle der USA.

Eingeschoben hat er nun Die ohnmächtige Supermacht. Warum die USA die Welt nicht regieren können. Abgesehen von polemischen Fausthieben am Ende manchen Absatzes ist seine Analyse nüchtern, voller hard facts aus unterschiedlichsten Quellen und in seinem Aufrollen des ganzen komplexen Themas äußerst imposant. Es sollte genauso oft wie Moores Hit verkauft, gelesen und verschenkt werden.

Der Angloamerikaner zitiert aus Strategiepapieren erzkonservativer Falken genauso wie aus Essays zum Kalten Krieg, Verteidigungen des militärischen Gleichgewichts mit Nuklearwaffen, SDI usw. Bei der gegenwärtigen US-Außenpolitik handelt es sich - wie er systematisch begründet - nicht um einen neuen Imperialismus, sondern einen neuen Militarismus. Ein Imperium - römisch, britisch oder belgisch - steht und fällt mit vier Grundfesten: militärischer, ökonomischer, politischer und ideologischer Macht. Auf jeden dieser Aspekte geht Mann ein, erinnert dabei an mehr, aber auch minder Bekanntes. Im Kapitel "Der militärische Riese" sind das Fakten zur Bekämpfung von Staaten - ganz anders als die zur Bekämpfung von Guerillas oder Terroristen -, auch zu dem Waffenarsenal sowie der Feuerkraft diverser Nationen. Ein in der öffentlichen Kritik viel zu selten vorgebrachtes Detail: Die Zahl der Nuklearwaffensprengköpfe im Besitz der USA beläuft sich auf etwa 9000, ebenso die Russlands, Frankreichs auf 340, Chinas auf 250, Großbritanniens auf 185, Israels auf 100-200, Indien und Pakistan "sollen jeweils 30 bis 50 haben. Nordkorea hat vermutlich ein bis zwei." Entsprechend die Feinde, die die Falken um Bush ins Visier nehmen: Sie sind stets relativ klein, eher unterbewaffnet. 2003 beläuft sich das amerikanische Militärbudget auf über 40 Prozent der weltweit bereitgestellten Summe, "25 Mal mehr als die Militärausgaben der sieben von den Vereinigten Staaten als Feinde identifizierten 'Schurkenstaaten' zusammengenommen". Dem gegenüber die Truppenstärke: "Die USA stellen nur 5 Prozent aller Soldaten weltweit". Diese Diskrepanz erklärt auch, warum Angriffskriege vor Befriedungen rangieren.

Zu den vier Säulen eines Reichs gehören neben der militärischen aber auch die ökonomische, die politische und die ideologische Macht. Wirtschaftlich ein Riese - etwa so groß wie die EU, dicht gefolgt von Japan/Ostasien -, hat vor allem die Vormacht des Dollars Nebenwirkungen, denn "die ärmeren Länder unterstützen die amerikanische Wirtschaft in viel größerem Maß als sie jemals Entwicklungshilfe aus den USA erhalten". Saddam Husseins Entscheidung, für Iraks Öl Euro statt Dollars einzufordern, sorgte für entsprechende Reaktionen: Respekt und Neugier bei Iraks Nachbarn, Wut in den USA. Die Überlegung, nachzuziehen, steht im Iran nicht mehr zur Debatte.

Und so geht es weiter und weiter. Alles mit weniger Emotion als hier, ganz sachlich, wissenschaftlich aber lesbar. Original spricht Mann (in The incoherent Empire) eher von einem "zusammenhanglosen", "wirren" Reich, eben weil es den Willen, andere Territorien zu regieren seit jeher so seltsam vernachlässigt. Beim vermeintlichen Feldzug für Freiheit und Demokratie geht es eben um Freihandel im Sinne US-amerikanischer Firmen. Es geht um Rüstung, die Milliarden kostet und nicht unnötig ruhen soll. Bei eroberten Territorien, potenziellen Märkten geht es nicht um China oder das Neue Europa, sondern um Zwerge, deren Führer gar nicht erst für so viel Aufruhr sorgen sollen wie Castro.

© Matthias Penzel, 2004. Original erschien dieser Artikel (erster Teil einer Doppelrezension mit Michael Ignatieffs Empire lite) in der Frankfurter Rundschau vom 29.08.2003






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