Udo Lindenberg

Sterne die nie untergehen - Atlantic Affairs (DVD)

DVD. n.n., ISBN: B00007MCGQ

Gehobene Schätze auf sehr gemischter Silberscheibe
Udo  Lindenberg: Sterne die nie untergehen - Atlantic Affairs (DVD)

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Anfang der dreißiger Jahre verließen Tausende der besten Kulturschaffenden Deutschlands ihre Heimat, um den Atlantik zu überqueren, hoffend, in Amerika aufgenommen zu werden und überleben zu können. Ihr Erbe hat Udo Lindenberg zusammengetragen, um es für die jetzige junge Generation zu neuem Leben zu erwecken.

Klassiker wie Marlene Dietrichs "Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt" oder Friedrich Holländers "Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre" warten darauf, adaptiert zu werden. Die Sängerinnen in Udos Konzert jedenfalls machen vor, wie man sich das vorzustellen hat - und sie wissen zu überzeugen.

Filminfos
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O-Titel: Atlantic Affairs (D, 2002), DVD: 10.2.2003
FSK: ab 12
Länge: ca. 89 Min.
Regisseur: Prof. Hark Bohm, Nils Willbrandt
Musik: Udo Lindenberg u.a. (s.u.)
Darsteller/Mitwirkende: Udo Lindenberg, Heinz Hoenig, Helge Schneider, Horst Buchholz, Ellen ten Damme, Nathalie Dorra, Yvonne Catterfeld, Die Prinzen, Die Panik-Band, Otto Sander, Tim Fischer, Hark Bohm u.a.

Spielfilm-Handlung
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Während Heinz Hoenig als Udos Manager sich ob der leeren Kasse die Haare rauft, macht sich Lindenberg auf die Socken Richtung New York City. Er hat nämlich ein paar Koffer von seiner Großtante Emily geerbt, die 1933 emigrierte. Den Nachlassverwalter spielt kein anderer als Hark Bohm himself.

Doch mit so vielen riesigen Koffern den Flieger zu nehmen, kommt nicht in Frage. Kurz entschlossen bucht unser Udo auf dem nächsten Dampfer, der nach Bremerhaven in See sticht: die "Queen Elizabeth 2". Der Luxusliner weist mit Horst Buchholz nicht nur einen stilvollen Chefsteward auf, sondern in der Bar auch eine klangvolle "Kapelle", die Jazzstücke zum Besten gilt. Udo hat Gelegenheit, den Inhalt der geerbten Koffer zu inspizieren und siehe da: die reinsten Kostbarkeiten. Doch im Gegensatz zu irgendwelchen Juwelen oder so findet er nur Noten - nicht irgendwelche, sondern natürlich die von anderen Emigranten, die 1933 Nazideutschland verlassen mussten.

Es dauert nicht lange und Udo hat die Bordkapelle, die über zwei hübsche Sängerin verfügt, für seine Zwecke eingespannt. Zum Repertoire gehören Lieder von Friedrich Holländer, der 1928 den "Blauen Engel" auf die Bretter des Cabarets brachte; von Bert Brecht ("Finstere Zeiten") und von Ernst Toch, einem Komponisten. Wir wissen zwar nicht, wie Helge Schneider auf die QE2 gelangt ist, aber er spielt jedenfalls Saxophon zu einem der Stücke - so etwa zu Kurt Weills "September" (1940) und "My Ship" (1942).

Dazwischengeschaltet sind historische Filmdokumente wie etwa von Friedrich Holländer in den 1970er Jahren; von der Enkelin Marlene Dietrichs; von Ernst Tochs Enkel; von der Aufführung einer ganz anderen Version von "Lili Marleen" durch die Emigrantin Lucie Mannheim für die BBC. Außerdem wird versucht, die Frage zu klären, warum sich so viele der Emigranten umbrachten. Den Abschluss dieses Filmparts bildet der Vortrag von Werner Richard Heymanns Lied "Irgendwo auf der Welt" (1932).

Für Udo ist der Fall: Er wird diese Stücke "zum Vortrage bringen", und zwar auf einer schönen Bühne mit klasse Leuten, in neuer zeitgemäßer Instrumentierung: am Columbuskai, wo die Emigranten damals Abschied nehmen mussten.

Das Konzert "Atlantic Affairs" (vgl. CD-Playlist am Schluss)
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Otto Sander moderiert den Konzertabend an. Der erste Beitrag stammt von Kurt Tucholsky, der sich schon vor 1933 absetzte und den Freitod wählte: "Vorbei, verweht, nie wieder". Es folgt das wahrscheinlich bekannteste Lied der 20er Jahre: "Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt", das F. Holländer 1928 schrieb und das die Dietrich in "Der blaue Engel" sang. Natalie Dorra trägt es angemessen vor. Auch "Niemandsland" hinterlässt einen starken Eindruck.

A capella singen, das können Die Prinzen schon ziemlich gut. Sie tragen vielstimmig und bewegend die Ballade "Vom einsamen Mädchen" von W. R. Heymann (1952) vor. Es folgt wieder "Irgendwo auf der Welt". Einer absoluten Höhepunkte des Abends besteht darin, dass Ellen ten Damme im Duett mit Udo das F.-Holländer-Stück "Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre" (von 1932) anstimmt, und zwar so rockig und kess, dass es einen umhaut.

Daraufhin sind ruhigere Töne angebracht. Udo singt "Bin nur ein Johnny". Ein Brief von Bertolt Brecht an "Freunde an der Ostküste" der USA wird verlesen. Brecht, der wie Thomas Mann und andere in Hollywood weilt, ermuntert seine Freunde zum Durchhalten. Ein krasser Gegensatz dazu ist das nächste Lied, das von Ilse Weber aus dem Jahr 1943 stammt, die im KZ Theresienstadt umkam: "Ich bin ein kleiner Koffer aus Frankfurt". Es wird von Tim Fischer gesungen, einem jungen Künstler.

Der Abschluss des Abends gebührt dem Initiator, Udo. Er singt das Lied "Nangiala", das "Gelobte Land, wo wir uns wiedersehn" und "Koffer für Berlin". Gemeint sind natürlich die geerbten Emigrantenkoffer, die eine moralische Verpflichtung für die deutsche Hauptstadt darstellen, diese Meisterwerke nicht zu vergessen, ja, sie wiederzubeleben.

Mein Eindruck: der Film und das Konzert
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Herrje, bei so vielen Erinnerungen und Nostalgie soll man nicht sentimental werden. - Es ist jedenfalls ein lobenswertes Unternehmen, das Lindenberg da mit Hark Bohm auf die Beine gestellt hat. Das Konzert umfasst einige sehr schöne Momente, nicht nur bewegende, sondern auch anregende, wie etwa das - eigentlich verzweifelte - "Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre". Die Musik ist modern, rockig vorgetragen von der Panik-Band . Auch die Daheimgebliebenen werden nicht vergessen, wie das Lied aus dem KZ belegt.

Natürlich gab es auch nach 1933 Lieder in Deutschland. Aber was waren das für Machwerke? Wenn nicht Lieder der Wandervögel zweckentfremdet wurden (F.J. Degenhardt sang darüber), dann wurden sie von Josef Goebbels' Propagandaministerium verordnet. Sänger wie Heinz Rühmann durften singen. wie sie "die Herzen der stolzesten Frau'n" brachen oder als "Die Drei von der Tankstelle" Freundschaft kultivierten, die natürlich später als Waffenbrüderschaft aufs brutalste missbraucht wurde.

Welche Kunstschätze mit den Emigranten Deutschland verlorengingen, erweist sich an den wieder zu neuem Leben erweckten Stücken von Brecht, Weill, Heymann und Holländer. Fassbinder hat das mal in seinen Filmen "Lili Marleen" und "Die Sehnsucht der Veronika Voss" versucht, ebenfalls mit Erfolg. Aber Lindenberg tut das Gleiche in anderer Form und für eine andere Generation.

Die Szenen vom Luxusliner sind natürlich weit von so etwas wie einer Spielfilmhandlung entfernt. Immerhin treten hier bereits Natalie Dorra und Ellen ten Damme (oder Yvonne Catterfeld; die beiden Blondinen sind schwer auseinanderzuhalten) soiwe Helge Schneider als Performer auf. Für Horst Buchholz war dies wahrscheinlich sein letzter Filmauftritt.

Wertvolle Hintergrundinformationen und interessante Statements bringt das Bonusmaterial, z.B. um die Frage zu beantworten: Was soll denn das Ganze überhaupt?

Die DVD
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Technische Infos
Bildformate: 1,85:1, 16:9
Tonformate: DD 5.1
Sprachen: D
Untertitel: D

Extras:

- Fotoalbum mit Bildern von Bord der QE2
- Biografien der Emigranten Dietrich, Holländer, Tucholsky, Th. Mann, Peter Lorre, Fritz Lang, Kurt Weill und Bertolt Brecht
- DVD-Credits
- Backstage: a) Im Studio (12:00), b) In Bremerhaven (18:45)
- Zeitzeugeninterviews (ca. 117 Minuten)

Mein Eindruck: die DVD
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Der erste Teil des Backstage-Berichts, "Im Studio", ist nicht besonders gelungen. Wir schauen einfach Hark Bohm und Udo über die Schulter, wenn Songs geprobt werden. Ganz anders hingegen der 2. Teil mit dem Titel "In Bremerhaven". Hier sind eine ganze Reihe von Statements in ruhiger Umgebung aufgenommen worden. Man sollte sich die Leute anhören. Udo teilt seine Gedanken mit uns, über Berlin, die Emigranten, er kannte Marlene Dietrich und betrachtete sie als "ältere Schwester". Er berichtet, wie er an die Dokumente und Musiknoten kam: eine richtiger Fischzug in USA war das offenbar. Auch sein Freund und Bodyguard Eddy kante weiß einiges zu erzählen. Fritz rau war drei Monate lang M. Dietrichs Tourneeleiter - und natürlich der von Udo.

Die Sängerinnen Ellen ten Damme und Natalie Dorra erklären ebenso wie Tim Fischer, wie sie zu diesem Projekt gestoßen sind. Fischer singt nun Stücke von Kurt weill, F. Holländer und georg Kreisler. Die Prinzen finden es gut, das verlorene deutsche Kultur zurückkehrt (vielleicht so wie die Ossis?). Yvonne Catterfeld lässt sich über das moderne Soundgewand aus, das den alten Stücken verpasst wurde - nur zu deren Vorteil. Natalie Dorra probt "Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt". Der Obermacher und Mastermind, Hark Bohm, erklärt anlässlich von "Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre", wie groß der kulturelle Aderlass Ende der 20er/Anfang der 30er Jahre war, wie die Kulturszene um 1930 aussah, und dass er diesen Film für die jungen Leute mache - daher auch Songs in modernem Soundgewand.

Unterm Strich
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Das Gesamtkunstwerk dieser DVD besteht aus etlichen disparaten Komponenten, die sich erst nach mehrmaligen Ansehen zu einem künstlerischen Ganzen zusammenfügen wollen. Da ein Spielfilm, dort eine Doku, hier ein Konzert, dort mehrere Statements. Eine Mischung aus Personality-Show, Musikerlebnis und historischer Dokumentation - viel verzweigter kann's wohl nicht mehr werden.

Das soll nicht heißen, dass die DVD nicht schöne Momente böte. Am besten gelingt dies dem Konzertabend, insbesondere den drei phantastischen Sängerinnen. Man sollte "Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre" als Single herausbringen, in der neuen, rockigen Fassung, und es würde Millionen deutscher Teenager ansprechen. Nena könnte dazu das Video beisteuern.

Ansonsten kann man nur dazu raten, sich das Anliegen dieses Unternehmens "Atlantic Affairs" zu Herzen zu nehmen und sich näher mit den hier vorgestellten Künstlern zu befassen. The Doors haben ja beispielsweise Kurt Weills "Alabama Song" zu ewigem Leben verholfen. Das Stück stammt aus der Oper "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny". Seht ihr? So geht's schon los...

Die DVD lohnt sich nicht nur, um darauf Lindenberg im Batman-Kostüm zu sehen. Es gibt hier Aufregenderes und Schönes als diesen Anblick.

Michael Matzer (c) 2003ff

DIE CD zum Film:
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Auf der CD, die seit Mai 2002 im handel ist, finden sich folgende Titel:

1. Stars die niemals untergehen (03:16)
2. Koffer in Berlin (04:37)
3. Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre (03:03)
4. Bin nur ein Johnny (02:43)
5. Johnny, wenn du Geburtstag hast (05:33)
6. My Ship (02:40)
7. Irgendwo auf der Welt - Udo Lindenberg und die Prinzen (04:16)
8. Kannst du pfeiffen, Johanna? (03:55)
9. Und es sind die finsteren Zeiten (05:11)
10. Father, you should have killed Hitler (03:23)
11. Ich bin ein kleiner Koffer (01:39)
12. Lilli Marleen (05:09)
13. Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt (02:33)
14. Niemandsland (04:28)
15. Nangiala (01:40)
16. Der Millionär (03:40)
17. Bin nur ein Johnny
18. September Song
19. Laziest girl in Town
20. Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre

Pro: sehr vielseitig, abwechslungsreich, z.T. tolle Songs, gute Künstler, gutes Bonusmaterial, historische Dokumente, animiertes Menü
Kontra: manchmal zu wehmütig, verzichtbare Doku "Im Studio"






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