Wolfgang Jeschke (Hg.)
Heyne SF Jahresband 1990
SF. Heyne, München. ISBN: 3-453-03923-8
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Preiswürdige Erzählungen
Den Reigen des diesjährigen Sonderbandes eröffnet Michael F. Flynn mit "Eifelheim". Er gewinnt dem Däniken-Thema "Außerirdische besuchten vor langer Zeit unseren Planeten" noch neue Seiten ab.Man sucht nach Eifelheim, einer mittelalterlichen Siedlung im Schwarzwald. Dabei tun sich weiche und harte, sprich: Naturwissenschaften ebenso zusammen wie Mensch und Computer.
George R.R. Martin läßt die alten Comic-Helden wie Tachyon und Jetboy in "Panzerspiele" (Shell Games, also Muschelspiele) wieder aufleben. Kinderträume werden wahr, wenn bejahrte Comic-Fans und ihre Helden mit Hilfe von Telekinese, Telepathie usw. gegen "das Böse" kämpfen. Eine gut konsumierbare Novelle, wenn man Comichelden mag.
Urusula K. Le Guins Story "He, Büffelmädchen, kommt ihr nicht raus heut nacht" gewann 1988 völlig zu Recht den World Fantasy Award und den HUGO obendrein. Mit großer Sprachkraft gelingt ihr jenseits von New Age und Öko-bewegung ein Plädoyer für ein friedliches Zusammenleben mit der der Natur und eine sensible, erschütternde Anklage gegen den menschlichen Raubbau. Die beste Geschichte in diesem Band!
Walter Jon Williams' Erzählung spült vieles "Aus der Tiefe" (Surfacing) an die Oberfläche. Er entwickelt glaubwürdige Chanraktere, und ihre Emanzipation und Liebesbeziehung beschreibt er anhand des versuchs, mit den intelligenten Tiefenbewohnern eines fremden Planeten Kontakt aufzunehmen.
Die deutsche Science Fiction ist durch den Autor Bernd Ulbrich vertreten. Seine Novelle "Philemons Idee" (eine Anspielung auf das alte Ehepaar Philemon und Baukis aus Goehes "Faust 2") gewinnt ihren Reiz und ihre Spannung aus der Beziehung der beiden Protagonisten zueinander – ein Kammerspiel. Paul und Riy sind die einzigen Überlebenden des Absturzes ihres raumschiffs. Sie wissen, daß sie auf dem unwirtlichen Planeten umkommen werden. Doch Pauls Einfall, in die Körper der Ureinwohner zu schlüpfen, könnte sie retten. Ulbrich beweist, daß moralische Fragen sehr spannend sein können.
"Fürs Dunkel bestimmt" (We are for the dark) heißt Robert Silverbergs lange Erzählung. Seine Erde wird von einer religiösen Oligarchie beherrscht, die den Kosmos besiedeln läßt, um Gott näher zu kommen. Das klingt stark nach den Jesuiten. Doch die Siedler verstoßen gegen die Dogmen des ordens, und als Sündenbock wird ein ordensoberer auf die Reise zu den Sternen geschickt. Doch auch er muß erkennen, daß der Weg zwar der richtige ist, aber nicht begrenzt: Da ist kein Ziel an seinem Ende. Sind wir Menschen also zur Dunkelheit verdammt, ausgesperrt vom Licht Gottes?
Ryszard Glowackis Erstkontakt-Story ist ein würdiger Abschluß. Auf der Rückreise zur Erde trifft eine Expedition auf ein fremdes Raumschiff. Es ist der letzte Bote einer gewaltigen Zivilisation, die die letzte Stufe der Evolution – die mechanische – erreicht hat. Schlüssig beschreibt der polnische Autor das Schema von Geburt und Tod der Planeten anhand dieser Zivilisation. Aber auch die postbiologische, die mechanische Rasse kann den Kollaps des Kosmos nicht verhindern. Sie konnte lediglich ein Schiff bauen und an derjenigen Stelle des Alls warten, wo sie, die Zivilisation des "Paroxysmus No. minus eins" nach einem neuen Zusammenbruch in einer neu entstandenen Galaxie eine neue Zivilisation gründen können. Glowacki schrieb ein Credo für den Menschen: Die Unausweichlichkeit des Todes bringt uns dazu, gewaltige Werke zu vollbringen. Jeder leser muß für sich entscheiden, ob er solchen Optimismus teilen kann oder nicht.
Fazit
Dieser Jahresband ist eine Fundgrube für Einsteiger und Fortgeschrittene gleichermaßen. Schon für die Le-Guin-Story allein ist er sein Geld wert.
Michael Matzer / michael@matzer.de © 2000ff
Info: Nr. 06/4650; 608 Seiten, diverse Übersetzer
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