Stefan Heym

Die Architekten

Roman. C. Bertelsmann Verlag, 383 Seiten. ISBN: 3-570-00414-

Stefan  Heym: Die Architekten

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1957 fragt die junge Architektin Julia in der DDR ihren Mann und Chef Arnold, wie er sich die beängstigende Ähnlichkeit einer Straße, die sie gerade gebaut haben, mit der Architektur der Nazis erklärt. Damit beginnt eine Auseinandersetzung um die Moral in der Kunst als Spiegel der Gesellschaft. Am Ende erkennt Julia, daß sie das Bett mit dem Mörder ihrer Eltern geteilt hat, und der Stararchitekt verliert nicht nur seine Frau, sondern auch den sicher geglaubten Nationalpreis. Das ist der Kern des neuesten Romans des linken Idealisten Stefan Heym, der seit 1952 in der DDR lebte, allerdings mit zunehmend kritischer Distanz. Das Besondere daran: Es ist eigentlich eins seiner ältesten Bücher. 35 Jahre hat es in der Schublade gelegen, und nun will der 87jährige sein Werk vollständig publiziert haben, wie es im Vorwort heißt.

Zum Hintergrund: 1957, drei Jahre nach Stalins Tod, zieht die Demontage des roten Tyrannen Kreise. Nach und nach kehren Überlebende aus den Arbeitslagern zurück, die während der stalinistischen Hysterie zu Unrecht und ohne ordentlichen Prozeß verurteilt wurden. Alte Kampfgenossen, alte Freunde tauchen aus der Versenkung auf, einer davon auch in Arnolds Architekturbüro, einer, den Julia seit ihrer Kindheit im Moskauer Exil kennt. Was dieser Mann erzählt, entlarvt den mächtigen Architekturpapst als betrügerischen, rücksichtslosen Karrieristen, und sein Gerede von hohen Idealen als feige Lebenslüge. Arnold hat Julias Eltern damals in Moskau denunziert und ihren Tod verschuldet. Um sein Gewissen zu beruhigen, nahm er Julia auf, wurde ihr Ersatzvater und später ihr Mann.

Fertig war der Roman 1965. Aber so eine Geschichte hätte in der DDR niemals erscheinen können. Wie schon die Romane "Fünf Tage im Juni" über den Volksaufstand von 1953, "Der König David Bericht", "Collin" oder "Ahasver". Auch die konnten nur im Westen veröffentlicht werden. Der Roman "Die Architekten" liest sich streckenweise so alt, wie er ist. Er ist ehrlich – das heißt: nicht nachträglich korrigiert, und wirkt daher aus heutiger Sicht manchmal sehr bemüht in dem Versuch, den Glauben an die sozialistische Sache noch irgendwie zu retten.

In seinen besten Teilen jedoch, etwa bei der Diskussion nackt badender Genossen am Strand von Usedom über Chruschtschows Geheimrede auf dem 20. Parteitag der KpdSU, ist da wieder ganz der alte Heym: ein schlitzohriges Lästermaul mit Herz. Mit einem gnadenlosem Blick für´s allzu Menschliche hinter all dem staatstragenden Getöse. Mit einem Humor, daß man sich ausschütten möchte vor Lachen über die Spießer in Nudistenuniform. Sein Sinn für Abgründiges und Hintersinniges macht das Buch zu einem erschreckend aktuellen Lehrstück über die Amoralität der Macht und die Mechanismen der Korruption in Ost und West.

Es ist eine Studie über die Diktatur, ein Protokoll der Furcht, die den einen lähmt und den anderen hirnlos vorwärtstreibt. Heym beschreibt diese Furcht als Gift, das in jedes Gespräch, in alle Gedanken einsickert und zwanghaft jede Ehrlichkeit als unerträglich unterdrückt. So, wie bei der Diskussion am FKK-Strand ein Nationalpreisträger für Lyrik:

Mischnick rutschte von seinem Sandhaufen herunter. "Stellt euch mal vor, wie viele Bücher eingestampft werden müßten!, sagte er, sein Knabensopran gefärbt durch seine Besorgnis. "Die Filme, die man zurückziehen müßte, die Städte, die man wieder unbenennen müßte"... Nie wird man das zulassen!

In der Tat: Heyms Geburtsstadt Chemnitz hieß damals Karl-Marx-Stadt und trägt heute wieder den Namen Chemnitz. Das Buch läßt sich aber nicht nur als Sittenbild lesen, sondern auch als Schlüsselroman für die Kulturpolitik der DDR. Die Architekten könnten ebenso gut Musiker oder Literaten, Maler oder Filmschaffende sein. Der Achitekt Arnold erinnert nicht zufällig an die Rolle von Anna Seeghers im Literaturbetrieb oder an den Regisseur Gustav von Wangenheim, der in Moskau und bei der DEFA Karriere machte.

"Die Architekten" ist ein überraschend reifer Roman aus der frühen Schaffensperiode des Altmeisters: eine unterhaltsame und zugleich sehr nachdenkliche Nachlese zu einem Kapitel der Geschichte, das die Deutschen zur Zeit eher verdrängen als verarbeiten. Widmar Puhl, SWR 2

 






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