Jürgen Habermas

Faktizität und Geltung

Sach. Suhrkamp Verlag, ISBN: 3-518-58127-9

Jürgen  Habermas: Faktizität und Geltung

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Frankfurt/M 1992 Suhrkamp Verlag ISBN 3-518-58127-9 kart. oder ISBN 3-518-58126-0 Ln.

In der kommunikativen Theorie des Handelns wollte Jürgen Habermas der entfesselten Moderne jene Dosis Rationalität injizieren, die nach dem Verlust kohärenter Weltbilder, entzauberter Werte und der Apathie in Theorie wie Praxis als Frischzellenkur des mehrfach aufgeklärten Weltgeistes wirken sollte.Dieses unvollendete Projekt der sprachanalytischen Vernunftsoziologie hat Habermas - unterstützt durch ein juristisch qualifiziertes Mitarbeiterteam - um eine Diskurstheorie des Rechts erweitert. Eine Rechtstheorie, die das Gesprächs-Apriori verständigungsorientierter Begründungszwänge zur Maxime sozialer Handlungsstrukturen macht, sollte auch für die vor sich hindümpelnde Rechtstheorie Staat (und Gesellschaft) machen.

Die praktische Vernunft kommunikativen Handelns zielt nicht auf die Anleitung zu einer normativen Theorie des Rechts und der Moral. In der Rekonstruktion der gesellschaftlichen Diskurse ermitteln sich die Prozesse einer Rationalisierung der Lebenswelt. Die Diskurstheorie des Rechts stellt im Verständnis des demokratischen Rechtsstaates die Institutionalisierung von Verfahrens- und Kommunikationsvoraussetzungen für die diskursive Meinungs- und Willensbildung in den Mittelpunkt der Betrachtung.

Danach gilt das liberale oder sozialstaatliche Rechtsmodell als zu konkretistisch. Je nach Regelungsgegenstand wählt der politische Gesetzgeber zwischen formalem, materialem und prozeduralem Recht. Während Luhmann in verdächtig herrschaftszynischer Weise von der Legitimation durch Verfahren sprach, faßt Habermas das prozeduralistische Rechtsparadigma vorsichtiger. Vor allem die Verfahrensbedingungen des demokratischen Prozesses seien schützenswert. Danach kommt der Institutionalisierung der Rechtsöffentlichkeit besondere Bedeutung zu. Diese Rechtsöffentlichkeit fordert als justizkritisches Forum den juristischen Anwendungsdiskursen zusätzliche Begründungselemente ab. Formen der Entscheidungsteilhabe der Öffentlichkeit werden zu ex ante wirksamen Verfahren der Legitimation. Die demokratische Genese des Rechts läuft somit über sämtliche Ausprägungen der Volkssouveränität.

Die Kommunikationsströme autonomer Öffentlichkeiten, publizistisch gezügelter Medieneinflüsse und plebizitäre Elemente bestimmen den Rechtsdiskurs der Gegenwart. Den Massenmedien kommt die zentrale Funktion zu, unabhängig von Zugriff politisch und anderer Funktionseliten das diskursive Niveau der öffentlichen Meinungsbildung zu sichern, ohne die kommunikative Freiheit der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen.

Diese Rechtstheorie scheint zunächst nichts anderes als ein Anwendungsfall der soziologischen Theorie des kommunikativen Handelns zu sein. Der Verzicht auf ein substantielles zugunsten eines prozeduralen Vernunftkonzepts lag bereits dem Begriff der "kommunikativen Kompetenz" zugrunde.

Eher läßt sich aber das an Regeln und Geltungsansprüche gebundene Sozialmodell Habermas' als eine Ableitung der Rechtstheorie darstellen. Die Soziologie Habermas' ist ein juridifiziertes Modell, ein binäres Modell des Richtig und Falsch, ein Verifikationsverfahren, eine Richtigkeitsprüfung, die freilich gelöst ist von vordiskursiv gesicherten Werten zugunsten einer kommunikativ geprägten Einlösung von Geltungsansprüchen. Wenn Geltungsansprüche die Rationalität der Handelnden konstituieren, geht es mithin nicht um die positivistische Existenz von Sachverhalten, sondern um die Sollgeltung von begründungsfähigen Normen und Subsumtionen. Die Begründung als zentrales Element der Kommunikationstheorie des Handelns ist aber zugleich der zentrale Terminus des Juridischen.

Die Ergänzung des liberalistischen Modells um ein Verfahrensmodell vollzieht nicht mehr ganz taufrische Paradigmenwechsel der Verfassungsrechtstheorie sowie eine faktische Sensibilisierung der Juristen für formales Recht nach. Die juristische Sensibilität gründet zunächst auf dem Umstand, daß materiales Recht in seinen nachmetaphysischen Bezügen zunehmend durchlöchert worden ist. Auch wenn etwa das Strafrecht nach wie vor alteuropäisch von Schuld und Sühne handelt, ist längst das Strafprozeßrecht zum Schneidbrenner der Strafverteidiger geworden.

Formales Recht reflektiert weitergehend den Umstand, daß die Gesetzgebung, der Gesetzesvollzug und die rechtliche Kontrolle unter faktischen Bedingungen stehen. So entscheidet sich etwa die Kontrolldichte der Gerichte nicht nur über die demokratisch austarierten Kompetenzräume, sondern auch über die Logistik der Entscheidungspraxis.

Partizipation an institutionell formierten Veranstaltungen der Willensbildung stößt permanent auf prozedurale Finessen, mit denen materiale Ergebnisse in der Verdrängung begründungsorientierter Legitimation erzielt werden. Ort und Zeit der Veranstaltung, Verfügbarkeit von Kommunikationsteilnehmern, Kenntnis von Prozeßregeln und Verfahrensstrategien gehören zu den Kernvoraussetzungen der Entscheidungsfindung

Der Vernunftbegriff der kommunikativen Rationalität ist nur um einen "linguistic turn" von dem Vernunftbegriff Kants entfernt. Soweit sich der Kognitionsethiker Habermas auf die formalethische Intuition des kategorischen Imperativs Kants stützt, führt er den größten Teil der hpyothekarischen Altlasten aus Königsberg mit sich.

Kant, dem Habermas sprachanalytisch auf die Sprünge hilft, hat die Erkenntnissituation als Gerichtssituation paradigmatisiert. In diesem Prozeß ist die Natur der Angeklagte und die Vernunft der Richter. Gegenüber der Natur legt die Vernunft die Sprache des Diskurses fest. Was dieser "Rechtssprache" nicht gehorcht, existiert nicht. Ist der Verstand der Gesetzgeber der Natur, der Quell der Gesetze der Natur, so manifestiert sich darin nicht nur die Verdrängung der "gesetzeswidrigen Natur". Die Kategorialität des Juridischen, die Herrschaft des Gesetzes wie des Gesetzmäßigen prägt den Verstand und die auf diesen reduzierte Vernunft. Auch wenn der voraufklärerische Schöpfergott durch einen kritischen Richtergott (Waldenfels) abgelöst wird, ist der nicht weniger blind als Justitia selbst.

Die Verschränkung von Gesetz und Vernunft ist auch das Apriori der diskursiven Rechtstheorie. Die Fatalität dieser Beziehung liegt in der Verkennung des Zusammenhangs von Freiheit und Gesetz. Das Gesetz als selbstgewählte Maxime des aufgeklärten Bürgers gründet auf einem reduzierten Freiheitsbegriff. Freiheit gilt danach als die gesetzmäßige Selbstbeschränkung des vernünftig Handelnden. Das vernünftige Gesetz wie die gesetzmäßige Vernunft fassen Freiheit als ein sozial verfaßtes Prinzip des vernünftigen Miteinander. Das selbstgesetzte Gesetz erschöpft aber nicht das Potential der Vernunft. Das Andere der Vernunft läßt naturwüchsige Freiheit und gesellschaftliches Gesetz in einer heteronomen Beziehung erscheinen. Den Selbstwidersprüchen des nicht erst in der Postmoderne disparat konstituierten Individuums kommt noch keine praktische Vernunft bei.

Das Gesetz repräsentiert das systemische Selbstinteresse, das zwar mitunter durch den Diskurs der Subjekte vermittelt, doch nicht deckungsgleich mit der Interessenstruktur des Einzelnen ist. Der Spannung zwischen öffentlichen Interessen und privater Autonomie wohnt auch nicht die Spannung von Faktizität und Geltung inne. Wer das Gesetz nicht zugleich als Antithese der Freiheit gelten läßt, verpflichtet das Subjekt auf die Über-Ich-Struktur einer gefesselten Vernunft, einer Vernunft, die dem systemischen Interesse dient.

Die Diskurstheorie des Rechts als Unterfall der Theorie des kommunikativen Handelns hat mithin die idealisierte Selbstbeschneidung des Subjekts zur Voraussetzung. Nicht die Protagonisten des organisierten Verbrechens, die Apologeten der modernen Religionskriege oder die Dogmatiker des nationalistischen Massenwahns figurieren als die Kronzeugen der Anklage. Das in den katastrophischen Weltprozeß eingebundene Subjekt selbst stellt den Ankläger in der kommunikativen Theodizee der Vernunft. Besser geworden das weiß Habermas vielleicht inzwischen selbst besser geworden, ist nichts.

Der Haupteinwand gegen den diskursiv verfaßten homunculus ist mithin die unausgelotete Subjektivität, die als regelverletzendes, asoziales Prinzip bis hin zur Selbstvernichtung den Generalbaß der "katastrophilen" Verhältnisse bestimmt. Habermas übernimmt in dieser dissonanten Polyphonie von Preußischer Marschmusik, Tölzer Knabenchor und serbischem Wolfsgeheul die Stimme von Mama und Papa, das inkarnierte double bind, freiwillig die Ein- und Unterordnung unter die gesellschaftlichen Interessen zu akzeptieren, weil es schon je die eigenen waren. Die Widerspruchsstruktur, die Lust am Irrationalen, wird exorzisiert. Das Subjekt gilt Habermas nur als das vernünftige, weil sprachliche Durchzugsfeld der Geltungsansprüche gesellschaftlicher Verordnung.

Habermas hat die Herrschaftskritik analytisch geordnet, Schema-Übersichten geliefert und nach der Entzauberung der metaphysisch verordneten Wertwelten jene Haltegriffe geliefert, die uns im Hier und Jetzt aufrecht stehen und gehen lassen sollen. Die "Erhaltung der strukturellen Komponenten der Lebenswelt" im magischen Quadrat geordnet, ringt der komplexen Realität gerade jene Strukturen ab, die wir im lebensweltlichen Chaos vergeblich suchen. Wenn Habermas von den "legitim geordneten in terpersonellen Beziehungen" handelt, wird es uns ganz warm um's Herz. Der persönliche Beziehungsschrott ist nur der Störfall. Dem autistischen Tschernobyl kommunikationsverhinderter, asozialer Aktoren begegnet ein reflexives Krisenmanagement, dessen Persuasionen denen der tiefenhermeneutischen Wirkung von Waschmitteln nicht nachstehen. Aber im Ernst: Wie soll sich die vermeintliche Widerspruchsstruktur der narzißtisch beschädigten Monaden zwischen Bosnien und Somalia, zwischen Bagdad und Belgrad, zwischen Südsudan und Ruanda/Burundi im Spiegel rationaler Diskursivität auflösen, wenn Systemstrukturen und Ereignishorizonte auf das Subjekt zurückgeschraubt werden? Soweit die treibenden Kräfte des Weltprozesses in der didaktischen Fabel der Diskurstheorie auf das Zentralmotiv des rationalen Subjekts eingeschworen werden sollen, verspottet das Ganze einmal mehr seine Teile.

Systeme wie Lebenswelten, wenn denn diese Differenzierung über haupt je einen heuristischen Wert hatte, produzieren permanent Geltungskonflikte. Die Präsupposition, daß Geltungskonflikte argumentativ auflösbar sind, vernachlässigt, daß Lösungsmuster nicht vorhanden sein könnten oder offene Geltungskonflikte wie Dissens zur Stabilisierung systemischer wie individueller Interessen erforderlich sein könnten.

Das Modell des herrschaftsfreien Diskurses scheitert nicht an den Abweichungen des Faktischen von idealtypisch konstruierten Kommunikationssituationen, sondern an der evolutionär bedingten Gleichwertigkeit von Chaos und Ordnung, von Macht und Ohnmacht, von Gut und Böse auch jenseits von Gut und Böse. Die Diskurstheorie hat sich immer so aufgespielt, als gäbe es nur Abweichungen, die letztlich auflösbar sind. Darin ist sie der thomistischen Ontologie verwandt, die das Übel als Mangel, als Abwesenheit des Guten in einer an sich vollkommenen Welt gefaßt hat. Aber die Belege, daß das kommunikative Rationalitätspotential vorgeblich aufgeklärter Gesellschaften gewachsen ist, besitzen nicht nur ein beschränktes Haltbarkeitsdatum, sondern sind der Mörtel, der die Mühlsteine der Klagemauer zusammenhält.

In diesem Sinn liegt der Theorie von Habermas eine schwach kaschierte Eschatologie zugrunde. Diese Theorie prätendiert, daß das "summum bonum communis" rational finalisierbar ist. Rationalität im Zuge des historisch materialistischen Fortschrittskriteriums hat eine evolutionäre Dimension. Je mehr rationale Regeln angebbar sind, um so näher rückt das Ziel einer aufgeklärten Kommunikationsgesellschaft, die im herrschaftsfreien Diskurs ihre Zwecke findet.

Die ontologische Konstruktion dieser Theorie liegt in dem begrenzten Feld eines ausschöpfbaren Rationalitätspotentials. Gesellschaft mit allen Defiziten gilt als ein unvollendetes Projekt der Moderne. Der suggestive Feldcharakter, der etwa in der Metaphorik der kolonisierten Lebenswelt erscheint, berücksichtigt aber nicht die Unendlichkeitsstruktur des Weltprogramms. Die kommunikative Welt unterliegt nicht lediglich einem Bearbeitungsprozeß, der Störfaktoren eliminiert, sondern die Bearbeitungsfelder wachsen disproportional mit ihrer Beherrschung. Das Irrationale ist keine mehr oder weniger disponible Restgröße, sondern nährt sich aus unerschöpflichen Entropien. Den kommunikativen Wärmetod, den Adorno in der Kälte der bürgerlichen Gesellschaft witterte, verhindert keine kommunikative Theorie des Handelns, die allein auf die "Thermodynamik" des vernünftigen Gesprächs setzt.

Die Vervielfältigung der Welten, d.h. der Zuwachs an immer neuen Interaktionsfeldern, die Virtualisierung von Welten ist nicht allein ein Zeichen wachsender Komplexität, der wiederum Komplexitätsreduktion zu antworten hat. Der historische Wettlauf von Regeln und regelungsbedürftigen Situationen enthält immer einen Überschuß zugunsten der subjektiven Bereitschaft sowie Notwendigkeit, ohne den archimedischen Fixpunkt der Kommunikationsrationalität zu handeln.

Die Diskursivität Habermas' suggeriert die Einlösung seiner eigenen Diskursideale. Die Texte des Kommunikationsrationalisten Habermas sind differenzierte Partituren. Er sortiert feingliedrig die Theorien, rekonstruiert und reformuliert sie, verwirft und ergänzt sie. Mehr als eine Suggestion gelungener Dialoge vermitteln diese Texte aber nicht, wenn Einwendungen und Dissens apriori an der Vorbehaltsstruktur und Generalität der diskursiven "Schnappschloßsprache" zerschellen. Wenn Habermas feststellt, daß es sinnlos ist, sich für oder gegen Vernunft bzw. das begründungsorientierte Handeln zu entscheiden, ist damit zugleich das Verhältnis entschieden, daß der Leser zu seiner Theorie einzunehmen hat. Die Freiheit, sich gegen die Vernunft zu entscheiden, wird nicht gewährt. Auf der Bühne des Sprachrationalisten wird zwar das Theater des Dialogs inszeniert. Aber aus dem Theoriebaukasten tönt den Aktoren die Stimme des Souffleurs, der ihnen gerade soviel Text Eigenleben zugesteht, wie es in seinem Drehbuch steht.

Realer gesprochen fragt es sich etwa anläßlich der Habermas-Luhmann-Debatte, warum sich Kommunikationsrationalität und Systemtechnologie nicht im Konsens eines herrschaftsfreien Diskurses paarten, der die soziologische Theoriekrise überwunden hätte. Gebricht es Luhmann, der Habermas für eine nicht an steuerbare Insel hält, an kommunikativer Kompetenz? Auch der Historiker-Streit, der von allen Beteiligten im Holzfäller-Stil geführt wurde, hat Habermas in den Selbstwiderspruch von rationaler Prätention und schneidender Polemik geführt.Wem der Verweis auf die Kontrafaktizität des Vernunftprogramms nicht genügt, wird den Verdacht nicht los, daß der dreistrahlige Vernunftbegriff vielleicht nicht viel mehr ist als die säkularisierte Dreifaltigkeit der Spätaufklärung. Auch wenn die Dispersion der Vernunft in die vielen kleinen Erzählungen kein zureichendes Gegenmodell zum Vernunftuniversalismus darstellen mag, ist das Ordnungssystem des Diskurses zu kopflastig, um den herrschaftsfreien Diskurs Wirklichkeit werden zu lassen.

Der Rekonstruktivismus zielt allein auf die notwendigen Bedingungen, die zur Verständigung und Lösung der gesellschaftlichen Probleme gewährleistet sein müssen. Der Wertepurismus der unbefleckten Erkenntnis kommt freilich nicht ohne Axiomatik aus. So konzediert Habermas den dogmatischen Kern des prozeduralen Rechtsparadigmas: "Die Idee der Autonomie, wonach Menschen nur in dem Maße als freie Subjekte handeln, wie sie genau den Gesetzen gehorchen, die sie sich gemäß ihren intersubjektiv gewonnenen Einsichten selber geben."

Dieses kantisch formulierte Menschenbild, auf ein zeitloses Freiheitsideal verpflichtet, nimmt die lebenserhaltenden Widerspruchsstrukturen des Individuums als dessen transzendentale Nichtbegründung nicht ernst. Die prästabilierte Harmonie des Rationalisierungsprogramms hat die kognitiv instrumentelle Seite der Vernunft immer mit einer Präponderanz gegenüber der ästhetisch expressiven Seite ausgestattet. In der "Desubstantialisierung der Vernunft" (Bernhard Waldenfels) wurde ihre Nachtseite, ihre schwarze Seele immer als der Rest (göttlicher?) Webfehler behandelt. Die ungleiche Gewaltenteilung im Hof der Vernunft verkürzt die Potenzen der Subjektivität, den "flash" des Bewußtseins, der sich nicht in der rekonstruktiven und reflexiven Beschaulichkeit von Traditionen erschöpft.

Das ästhetisch expressive Handeln, eine schwache Vokabel für die dionysischen Energien des Subjekts, für seine narzißtischen, sadistischen und aggressiven Potenzen, hat in der Habermas´schen Gesellschaftsordnung immer nur den Platz einer eingerichteten, geordneten wie verordneten Tugend der Vernunft gehabt.Aufgrund der Faktizität der Verhältnisse liegt die Beweislast bei den Apologeten der Geltungstheorie. Beweisantritte gegenüber der progressiven Spirale der Gewalt, gegenüber dem Verfall der politischen Kultur, gegenüber den Diskurseinbußen des öffentlichen Gesprächs, das intermediär zum Wildwuchs verkommt, gegenüber der massenmedialen Bewußtseinsverseuchung, gegenüber den Demontagen der Lebenswelt sind nicht ersichtlich.

Den intersubjektiv gewonnenen Einsichten der Machtcliquen korreliert ihre Gesetzestreue, nur das Menschenbild kann Habermas, gewitzt gegenüber der Dialektik der Aufklärung, nicht gemeint haben. Das Kommunikations-Apriori erschließt nicht den von Habermas vermessenen Menschen. Der ist edel und gut, und ist er es nicht, so vermeldet die Evolution einen Irrläufer. Aber der Primat der Zweck-Mittel-Rationalität, d.h. der instrumentellen wie funktionalistischen Vernunft gegenüber der kommunikativen bleibt ein Explanans der Theorie.

Die Werte, die sich nach Habermas über den herrschaftsfreien Diskurs einlösen, haben eine materiale Dimension. Sie sind das Fleisch und nicht der Geist der Aufklärung. Die perennierende Prätention des Diskursideals versichert nicht den humanen Anspruch im Schlepptau metaphysischer Unbeflecktheit. Es ist eine schlagkräftigere Wahl, den Faschismus und seine immer wieder sprießenden Ableger mit Werten zu konfrontieren, die nicht die universalpragmatischen Feuerproben durchlaufen müssen. Nietzsche, der sich vielleicht besser als Habermas in den Winkeln der postmodernen Seelen auskannte, rief nach dem Werteschaffenden. Die Dialektik der Aufklärung verendet nicht im Faschismus, wenn der Anspruch des nichtbeschädigten Subjekts reklamiert wird.Der herrschaftsfreie Diskurs als kontrafaktischer Garant humaner Gesellschaften ist dagegen fragil geblieben. Humane Werte, die in einer humanen Lebenspraxis erfahren werden, entstehen nicht allein auf dem Humus einer verstandesmäßig gefaßten Vernunft. Der herrschaftsfreie Diskurs als Disziplinierungsinstrument bewegt sich in einer Monokultur der Vernunft. Als experimentum crucis wird uns seine Folgenlosigkeit im allabendlichen Small Talk, dem in flationären Diskurs-Bla-Bla, vorgeführt. Mit dem Polytheismus der Werte benötigen wir auch eine neue Polykultur der Vernunft, die ihr Verdrängtes, ihr Anderes nicht wie einen Sumpf behandelt, der lediglich urbar zu machen ist.

Dr. Goedart Palm

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