James Gunn (Hg.)

Von Shelley bis Clarke (Wege zur Science Fiction #11)

SF. Heyne, München. 543 Seiten. 24.90 DM . ISBN: 3-453-17104-7

Jubiläumsband: Exzellente Story-Auswahl
James  Gunn (Hg.): Von Shelley bis Clarke (Wege zur Science Fiction #11)

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Im 100. Band der "Bibliothek der Science Fiction Literatur" im Heyne Verlag führt uns Herausgeber James Gunn auf den "Wegen zur Science Fiction" auf die Britischen Inseln. Denn nach Ansicht des herausragenden Autoren und Herausgebers Brian W. Aldiss ("The Trillion Year Spree", Bastei-Lübbe) schrieb nicht etwa ein amerikanischer Mann, sondern eine englische Frau, Mary Shelley, den ersten Science Fiction Roman: "Frankenstein oder Der entfesselte Prometheus". Das war immerhin bereits 1818.

Die Briten führten eine ganz andere Art von Stimmung in diese Literatur der Ideen und der Veränderungen ein: pessimistische Ironie. Vorreiter dieser Haltung war Herbert George Wells. Bereits in seinem aufsehenerregenden Roman "The Time Machine" betrachtete er das Ende der Welt nicht glorifiziert, wie das etwa ein wissenschafts- und fortschrittsgläubiger Amerikaner à la Heinlein getan hätte, sondern pessimistisch: Der Tod der Sterne, die Wiederkunft der Monster, Agonie in Entropie so sah sein Weltende aus.

Auch Wells' "Der Krieg der Welten" (1898) trug nicht gerade zur Ermunterung und Erbauung seiner Zeitgenossen bei: Die Marsianer vernichten die gesamte menschliche Zivilisation, zumindest den oberirdisch lebenden Teil davon. Erst die winzigsten Bewohner des Planeten Erde, Bakterien, machen den Eroberern den Garaus. Welch eine Ironie! Hugo Gernsback brachte solche Stories zwar in seinen amerikanischen Pulp-Heftchen heraus, doch sein eigener Roman "Ralph 124C41+" war dann doch wieder fortschrittsgläubig.

Stories

Dieser Band versammelt exemplarische Erzählungen einflussreicher Autoren (keine Frauen darunter, sorry) aus den Jahren zwischen 1871 und 1960, also fast genau 90 Jahre.

Sir George Tomkyns Chesney scildert in seiner "Schlacht von Dorking" (1871) ein Vorläufer zum Invasionsroman à la "Krieg der Welten" die Invasion einer fremden Macht (möglicherweise des deutschen Kaiserreichs) in einem völlig unvorbereiteten England. Der Roman wurde heftig diskutiert, u.a. im britischen Unterhaus. Bis zum Ersten Weltkrieg rüstete man dann kräftig auf.

Der Mathematiker Edwin Abbott lieferte mit seiner Studie (es ist kein Roman) "Flatland" ein ewig gültiges und immer noch beliebtes gedankenspiel über eine komplet t zweidimensionale Welt. In diesem Wunderland nimmt mann sich beispielsweise vor den bedrohlichen Formen der weiblichen Flatland-Bewohner sehr in Acht, weswegen diese auch einen separaten Eingang in Gebäude zugestanden bekommen haben.

Verschiedene Untergangs- und Endzeitvisionen waren nach Chesney und H. G. Wells in Mode gekommen, die sich dann in den florierenden Literaturmagazinen niederschlug. Richard Jefferies schrieb "London danach", Robert Barr glänzte mit "Der Untergang Londons" und George Griffith produzierte das heute ebenso vergessene "Im Auge des Sturmes".

H.G. Wells, der literarische Titan des Genres in dieser Zeit, ist hier nur mit "Das Land der Blinden" vertreten, was ein wenig verwundert, denn er hat auch tolle technische Stories geschrieben. Diese zumindest versteht auch ein Technik-Laie: In den Anden hat sich in einem vergessenen, abgeschlossenen Tal eine winzige Gemeinschaft entwickelt, deren Sehkraft sich zurückentwickelt hat, bis sie verschwand. Als nun ein moderner Mensch per Unfall hier eindringt, muss er sich zwischen Liebe, Familienglück und Sehkraft entscheiden. Da fällt die Entscheidung nicht schwer, und er haut ab.

Nobelpreisträger Rudyard Kipling schrieb auch Zukunfts-Stories! Er erfand eine Art Weltpolizei, die das globale Transportwesen kontrolliert: die ABC (Aerial Board of Control). Demzufolge heißt seine hier abgedruckte Erzählung "Einfach wie das ABC". Darin geht es um einen Aufstand irgendwo im amerikanischen Illinois, wo die Demokratie zurückgefordert wird. Mit nicht sonderlich subtilen Mitteln wird der Aufstand von einer ABC-Luftflotte niedergeschlagen Finito. Da hat mir die Schwester-Story "Mit der Nachtpost" wesentlich besser gefallen. Sie ist in einem früheren Gunn-Band abgedruckt.

John D. Beresford trug in seiner Geschichte über "Ein unbedeutendes Experiment" einen netten Aspekt zur Kontrolle der Elektrizität bei, während der Schöpfer von Prof. Challenger und Sherlock Holmes, Arthur Conan Doyle, in seiner packkenden Kurzgeschichte "Die Dschungel des Himmels" von der gefährlichen Fauna und Flora berichtet, die sich in den damals noch unerforschten Weiten der Stratosphäre tummelt und wagemutige Doppeldeckerpiloten angreift.

Das ewig gültige Thema der ewigen Jugend spielt in S. Fowler Wrights Story "Die Ratte" die Hauptrolle. Ein Wissenschaftler hat ein Exlixier gefunden, einer kranken Ratte wieder gesundheit und sogar Verjüngung zu verleihen. Die Frage, vor der er nun steht, lautet: Kann er es verantworten, dieses Wundermittel auf die Menschheit loszulassen? Wenig später gibt es eine tote Ratte, einen toten Einbrecher, einen radikal verjüngten Wissenschaftler, der unter falschem Namen auftaucht, und eine glückliche Witwe...

Der große Visionär unter den englischen Autoren ist zweifellos Olaf Stapledon. Mit "Der Sternenschöpfer" (Auszug aus dem 13. Kapitel) und "Die letzten und ersten Menschen" schuf er Extrapolationen über die Entwicklung des Menschen und des Universums bis in fernste Zukunft, nämlich hunderte von Millionen Jahren. Allerdings macht der exklatante Mangel an Handlung daraus noch keine guten Romane. Dementsprechend kurz ist der Romanauszug.

Gerald Heard lieferte den mittlerweile erstarkten amerikanischen Science Fiction-Magazinen mit seiner Story "Der große Nebel" das klassische Beispie eines Rückfalls in die englische Katastrophengeschichte. Eine Art Alien-Spore oder Mutation befällt alle Pflanzen der Erde und schafft sich ihr eigenes feuchtes Klima. Sie entzieht allem die Feuchtigkeit und Wärme, um sie in ihrem eigenen Lebensraum zu konzentrieren. Über 2000 Metern Höhe existiert daher kaum noch Leben.

Da war mir doch Eric Frank Russells witzige Story "Der Liebhaber" (Hobbyist) wesentlich lieber. Einen Raumforscher verschlägt es mit seiner Rakete und seinem sprechenden Papagei auf einen unbewohnten Planeten, der mit nur jeweils einem einzigen Exemplar von Kristallen, Pflanzen und Tieren bewachsen ist. Das ist reichlich merkwürdig, erklärt sich aber, als der Astronaut eine Fabrik findet, in der solche Dinge maschinell hergestellt werden. Doch wer ist der Fabrikant und Hüter dieses Zoos?Die schwerwiegende Frage, die der Autor stellt, ist diese: Hat auch Gott den Menschen und die Tier- und Pflanzenarten und vor allem die Erde nur ein einziges Mal geschaffen? Falls ja, dann können die Raumerforscher einpacken: Sie werden nämlich nichts finden, das dem Menschen gleichkommt.

Von Peter Phillips kommt die intelligente und bewegende Story "Träume sind heilig" (1948), die mich in ihrer Betonung der Psychologie und des Wahnsinns an Alfred Besters psychologischen Thriller "Demolition" und an Zelaznys "He who shapes" (neu in "Ikarus 2001" bei Heyne) erinnerte. Ein aufgeweckter Journalist namens Lindner kuriert einen manisch-depressiven Patienten, Craswell, indem er in dessen Wahnvorstellungen und Träume eindringt und darauf einwirkt. Die magische Fantasywelt Craswells wird durch die rationale Ideenwelt Lindners besiegt.

Der extrem fleißige J.T.McIntosh er schrieb über 100 Kurzgeschichten lieferte mit "Made in USA" einen witzigen und intelligenten Beitrag zum Thema Androiden. Die Hauptfigur, ein amerikanischer Mensch, will sich von seiner Frau scheiden lassen, als sie ihm mitteilt, dass sie eine Androidin ist. Ihr Nabel beweist es: Darauf steht "Made in USA". Sein Scheidungsgrund: Sie kann ihm keine Kinder schenken. In der anschließenden Gerichtsverhandlung soll quasi über das Schicksal der Frau, aber auch der Millionen Androiden entschieden werden, die rund die Hälfte der Weltbevölkerung ausmachen. McIntosh hält für den Leser etliche Überraschungen bereit, doch keine Angst: Alles wird gut.

Natürlich durfte Arthur C. Clarke als Megastar der Nachkriegszeit nicht fehlen. Seine Story "Der Stern" ist recht kurz, aber eindrucksvoll. Der Stern von Bethlehem, um den es hier geht, war eine alles vernichtende Supernova. Als der Jesuit an Bord des Forschungsraumschiffes das herausfindet, zweifelt er am Wohlwollen eines alles beherrschenden gütigen Gottes.

Ein weiterer Megastar war John Wyndham. Stephen King hält ihn sogar für den besten englischen Science Fiction-Autor überhaupt! Die Novelle "Leerer Weltraum" (The emptiness of space, ein Teil des Romans "The outward urge", 1961) wirft einen Blick in die Zukunft der Raumfahrt und der Menschen, die sie betreiben. Neu-Kaledonien 2199: Auf dem Raumhafen auf dieser Südseeinsel heben die Raketen ab, nachdem die westliche Welt durch einen Atomkrieg verwüstet und verstrahlt wurde. Die Zukunft des Menschen liegt im Asteroidengürtel. Doch welche merkwürdigen Dinge der Weltraum mit ihm anstellt, darüber berichtet diese bewegende Story.

Fazit

Dieser 11. Band von james Gunns "Wege zur Science Fiction" ist ein Muss für den ernsthaften Sammler und ein guter, wenn auch etwas teurer Einstieg für den, der das Genre von seinen Anfängen an kennenlernen will. Wie gewohnt liefert James Gunn nach einer fundierten Einleitung auch umfassende und detaillierte Autorenvorstellungen. Jeder Autor wird vor dem Hintergrund des Entwicklungen des Genres wie auch der Magazinlandschaft verständlich und bekommt seine ihm gebührende Bedeutung zugewiesen.

So wird beispielsweise die überragende Stellung Wyndhams deutlich, die in England entsprechende Publikationen untermauert wird: Alle seine Romane sind seit 50 Jahren im Tachenbuch erhältlich! Das steht im krassen Gegensatz zu seiner Repräsentation im deutschen Buchmarkt sie geht gegen Null. Nur bei Suhrkamp gibt es Bücher von ihm. Hier gäbe es viel aufzuarbeiten.

Michael Matzer © 2001ff

Info: The Road to Science Fiction: Vol. 5 The British Way (1. Teil), 1998; Heyne 2000, München; 543 Seiten, aus dem US-Englischen übertragen von diversen Übersetzern; DM 24,90






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