Greg Campbell

Tödliche Steine. Der globale Diamantenhandel und seine Folgen

Sach. Europäische Verlagsanstalt, 260 Seiten. 19.90 EUR . ISBN: 3434505547

Gier und Macht
Greg  Campbell: Tödliche Steine. Der globale Diamantenhandel und seine Folgen

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Sie kosten nicht die Welt, wohl aber Menschenleben - wie Konfliktdiamanten zu Terrordiamanten wurden

Von allen bekannten natürlichen Substanzen sind Diamanten die härteste. Die bei 3600 Grad komprimierten Kohlenstoffatome sind so hart, dass sie sich nur mit ihresgleichen schneiden lassen. Ihr industrieller Nutzen ist äußerst limitiert, ein schön funkelnder Brillant eigentlich wertlos. Doch mit und für Diamanten wurden und werden Kriege geführt, Menschen verstümmelt. Diese Hermeneutik ist symptomatisch für die Welt der Diamanten. Das Geschäft, mitsamt Marketing, Vertrieb, Angebot und Preisregulierung kontrolliert seit 1888, fast in Monopolstellung, ein Konzern. De Beers Consolidated Mines Ltd. erschuf "die entsprechende Nachfrage aus dem Nichts". Zu den superb gehüteten Geheimnissen der Branche mit den funkelnden Steinen gehörten bis vor kurzem die blutvollen Kämpfe im Dschungel von Sierra Leone, mehr noch der Umstand, dass Diamanten gar nicht so selten und exklusiv sind, wie alle Welt denkt. So wie an der Ware geschliffen und poliert wird, bis die Reinheit stimmt (also das Licht ideal bricht und in schönsten Farben reflektiert), so minuziös reguliert De Beers' Kartell die Produktion und Distribution; mit dem Nebeneffekt, dass De Beers in den Kellern seiner Londoner Diamond Trading Company "einen Diamantenvorrat im Wert von vier Milliarden Dollar" angehäuft hat, wie Greg Campbell in Tödliche Steine. Der globale Diamantenhandel und seine Folgen feststellt. Vier Milliarden Dollar entsprechen dem Achtfachen der geschätzten Jahreserlöse, die De Beers im Einzelhandel erzielt.

Traditionell, so versichern Juweliere der ersten Welt, lassen es sich Männer (und nur die) zwei Monatsgehälter kosten, ihre Angebetene mit einem Diamanten zu beglücken. Nach welchem Brauch eigentlich?, fragt Campbell, und geht anderen Traditionen nach - der mit dem Diamantenhandel oft einhergehenden Waffenschieberei, der Geldwäsche, der Finanzierung von Kriegen und Terrororganisationen. Ausgehend von der Situation in der ehemals britischen Kolonie Sierra Leone offenbart er die vielen Aspekte der Industrie, deren Kristalle zwar mit 4C prunken - Cut, Colour, Carat und Clarity. Doch bis es in Bombay, Surat und Antwerpen zu dem letzten Schliff (Cut) kommt, fielen in Sierra Leone Äxte auf Handgelenke, starben 3,7 Millionen Menschen, flossen abseits der Förderungen im Dschungel Dollars von und zu Waffenschiebern. Keine Spur von Klarheit. Wie einen Rubin kann man die Sache drehen, in jeder Facette ihrer Historie begegnen einem Schmuggler und Dokumentefälschern, Kuriere, Killer und Kriminelle mit liberianischen Diplomatenpässen - außerdem Drahtzieher von Al Qaeda. Nebendarsteller und -schauplätze: auf den Jungferninseln konzessionierte Gesellschaften, die Schleif- und Polierzentren in Indien und Belgien, die Diamond Trading Company, durch deren Londoner Niederlassung "65 Prozent der Weltproduktion an Rohdiamanten gehen und in der alle fünf Wochen Rohdiamanten im Wert von 500 Millionen Dollar" an handverlesene, so genannte Sightholders (darunter weitere Firmen De Beers') verkauft werden.

In Sierra Leone blieben die Klumpen und Brocken milchweißer Kohlenstoffkristalle lange zwischen Kieseln und Steinen liegen, wurden sie höchstens von Kindern aufgelesen. Ihre Förderung begann in den dreißiger Jahren - und damit "Sierra Leones Weg in die Selbstzerstörung". Als das Land 1961 in die Unabhängigkeit entlassen wurde, hatten illegale Schürfer bereits ihre Claims abgesteckt, Schmuggler ihre Zwischenhändler und Pfade etabliert. Freetown - 1787 kreiert für die amerikanischen Sklaven, die für die britische Krone kämpften - wandelte sich vom Eldorado zur Endstation jeglicher Hoffnung. Geldgier und Gewalt ließen im Diamantenkrieg der Neunziger die Drogenkriege Kolumbiens aussehen wie Pfadfinderveranstaltungen. In Libyen ausgebildete Trupps und Rebellengruppen sowie die Armee mit wechselnden Alliierten töteten 75000 Menschen, verstümmelten 20000. "Achtzig Prozent der etwa 5 Millionen Einwohner wurden zu Flüchtlingen". Auf der Düsseldorfer Kö und der Frankfurter Breubergstraße war das weder der Ware noch ihren Preisen anzumerken. Erst ein Report von Global Witness stellte im Dezember 1998 klar, dass "Konfliktdiamanten" im Busch für ein Zehntel dessen verkauft werden, den lizenzierte Exporteure zahlen. Das Embargo über Diamantenimporte aus Sierra Leone, im Juli 2000 verhängt, griff kaum. Auch Blutdiamanten sind unvergänglich, Echtheitszertifikate leicht zu fälschen (wie die Reporter Stefan Schaaf und Thomas Aders vor einem Jahr in ihrer ARD-Dokumentation "Die blutige Spur der Diamanten" zeigten).

"Ich mache das schon seit 1955", berichtet ein Unterhändler Campbell. Ähnlich etabliert ist die Korruption im Diamantenbewertungsausschuss der Zollstelle, sind andere Routen. "Gambia hat keine Diamantenminen und konnte dennoch zwischen 1996 und 1999 Diamanten im Wert von rund 100 Millionen Dollar nach Belgien exportieren"; der Export aus Liberia von 6 Millionen Karat jährlich lag zeitweise (1994-1999) über dem von Südafrika, entsprach dem 30- bzw. 60-fachen des tatsächlich möglichen, der von der Elfenbeinküste dem 13-fachen.

Wie in einem Thriller beginnt Campbell mit einem besonders blutvollen Auftakt, bietet etwas Background und schauderhafte Details ("Wer einem amputierten Bettler Geld gibt, muss es ihm direkt in die Tasche stecken") und steuert auf Umwegen auf seinen Plot zu - die Finanzierung durch Hisbollah. Aufgedeckt wurde die Al-Qaeda-Connection durch Douglas Farah, Korrespondent der Washington Post. Zusammen mit Matthew Hart liefert der denn auch die spannendsten Zitate. Nüchterner und leichter nachvollziebar - als das dramaturgische Zickzack Campbells - ist der im April veröffentlichte Report von Global Witness. For A Few Dollar$ More dokumentiert die Verstrickungen von Terrorismus mit Waffenschieberei und Geldwäscherei (eben mithilfe des kleinsten und dazu noch legalen Schmuggelguts). Das Fazit ist deckungsgleich mit dem, was Anne Jung von medico international am 4.11.2002 in der Frankfurter Rundschau äußerte: "Selbstregulierungs-Systeme sind nicht bindend und zudem von unabhängigen Institutionen schwer zu überprüfen. Solange den Händlern, die weiterhin mit Konflikt-Diamanten Handel treiben, keine ernstzunehmenden Strafen drohen, bleibt die Selbstregulierung ein zahnloser Tiger."

For A Few Dollars More. How al Qaeda moved into the diamond trade (ISBN 1-903304-11-3) Hrsg.: Global Witness, London. 100 Seiten mit vielen Diagrammen, Karten und Fotos. Als Download (Adobe AcrobatReader) kostenfrei unter http://www.globalwitness.org

© Matthias Penzel, 2004. Original erschien dieser Artikel in der Frankfurter Rundschau vom 09.05.2003






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