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Also gut, sie macht das gern. Sie schreibt spitz und gern makaber und
sorgt dafür, daß wir uns im Gestrüpp von Erwartungen und
political correctness verheddern. Juden, verfolgte Minderheiten, Amerikaner,
Deutsche in West und Ost - wer will sagen, wo die Guten sind, wo die Bösen?
Kommt überhaupt jemand ohne fromme Lügen aus? Irene Dische, Tochter
jüdischer Emigranten, in New York aufgewachsen, seit 1980 in Berlin
lebend, zieht uns auch in ihrem neuen Buch in ein irritierendes Vexierspiel.
„Fromme Lügen“ hieß ihr erster, überaus erfolgreicher
Erzählband (1989). Daraus ist vor allem das Bild der Pathologin in
Erinnerung, kühl sezierend, den Knoten der Verwirrung beim Aufeinandertreffen
von Kulturen und Religionen mit ungerührter Kälte durchschneidend.
Irene Dische schreibt grundsätzlich gegen den Strich, so auch diesmal.
„Ein Job“ ist angeblich ein Kriminalroman über einen kurdischen Attentäter
(Alan, alias Allen, kein unbekannter Name für Dische-Leser), einen
eiskalten und hochprofessionellen Berufskiller, der nach einer spektkulären
Flucht aus einem türkischen Gefängnis nach New York kommt, wo
er die schöne Frau und die kleinen Töchter eines verhaßten
Türken liquidieren soll. Versuche des Lesers, über das Schicksal
der unterdrückten kurdischen Minderheit Zugang zur Geschichte zu finden
(das eingestreute kurdische Kulturgut legt dies nahe), werden zynisch zurückgewiesen.
Alan denkt nicht politisch: „Ein Kurde ist zu wenig, zwei Kurden sind zu
viel.“ Sein Job soll ihm ein teures Haus verschaffen, ein Bett, breit genug
für drei Mädchen auf einmal, Joop!-Socken und Brioni-Anzüge,
der Finger am Abzug der Waffe wird frisch manikürt sein. Er hat einen
Job zu erledigen, sonst nichts. Fachmännisch inspiziert er den Mordort
- alles bestens: „Messer zum Abschneiden der Ohren und einen Gummihandschuh,
um sie darin einzupacken“, sind in der Küche vorhanden.
Wer sich bei der Lektüre nun auf Action einstellt, läuft
ebenfalls in Leere. In die Fremde New Yorks exportiert, in das „Gewimmel
von übereinander kletternden, namenlosen Menschen“, wo alles möglich
und nichts vorhersehbar ist und wo vor allem die Frauen sich äußerst
befremdlich benehmen, wird der Macho-Killer von den eigenartigsten Anwandlungen
überkommen. Beim Beschatten seines Zielobjektes stellt er sich so
ungeschickt an, daß einem erfahrenen Krimileser die Haare zu Berge
stehen. Er trägt sogar seiner alten Nachbarin (Mrs Allen! schon wieder!)
die Einkaufstüten ins Zimmer und setzt sich mit ihr vor den Fernseher,
während die Geschichte sich immer unwahrscheinlicher verwickelt. Die
Attentäter-Attitüde löst sich auf in Angst und Scham. Die
fremde New Yorker Lebensart hat offenbar die Kraft, ihn so zu sozialisieren,
daß er am Ende, in den Bergen Nevadas eingenistet mit Frau und Kind,
eine Tankstelle so friedlich und gründlich führt, daß er
im Scheinwerferlicht der TV-Kameras den Preis für die saubersten Kundentoiletten
in Empfang zu nehmen glücklich bereit ist. Ein seltsames Happy End.
„Und wenn sie nicht gestorben sind...“
Der Aha-Effekt kommt am Schluß: dieser Text ist ein Lebensmärchen,
das ein Vater seiner Tochter erzählt. Manche Merkwürdigkeiten
der Erzählhaltung erklären sich jetzt. Aber nicht alle. Da ist
immer noch eine andere Stimme, die Alan, „unseren Helden“, mit unpassenden
Einmischungen und seltsamem schwarzen Humor in eine sarkastische Spielart
des „American Dream“ hineinschickt. Die Brüche sind bewußt gesetzt,
so als ob Irene Dische Scheu hätte, sich zu ihren Figuren zu bekennen
und auf diese Weise vielleicht sich selbst in fromme Lügen zu verstricken.
So hält aber auch der Leser Distanz. Ursprünglich war der Text
ein Drehbuch - vielleicht tatsächlich die bessere Form, ohne das Medium
dieses unentschiedenen Erzählers.
Eva Leipprand
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Danke.
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