Reinmar Cunis
Wenn der Krebsbaum blueht
SF. Heyne, München. ISBN: 3-453-00416-7
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Die Utopien des Nordens
Der bereits verstorbene Reinmar Cunis profilierte sich als einer der besten deutschen Autoren von Science Fiction-Romanen und Stories. Der gebürtige Bremer arbeitete in zahlreichen Berufen, doch zuletzt vor allem als Fernsehspiel-Lektor beim Norddeutschen Rundfunk. Er regte den deutschen Kurd-Laßwitz-Preis für Science Fiction an.
Handlung
Der Krebsbaum, eine einer lappischen Legende entnommene, nicht jedermann sichtbare, astronmische Erscheinung im Sternbild Krebs, begleitet den Ende der neunziger Jahre einsetzenden Umbruch im Weltgefüge. Unkontrolliertes Zusammenwirken von Chemie, Radioaktivität, Klimaänderung und politischer Unfähigkeit lassen auf der Nordhemisphäre einen etwa 1200 km breiten, unbewohnbaren Gürtel in den gemäßigten Breiten entstehen und den Meeresspiegel steigen.
Die Überlebenden flüchten in die angrenzenden Zonen, die Weltmächte brechen zusammen. Die Chinesen beherrschen den größten Teil Asiens, die Araber den Schwarz- und Mittelmeerraum, und der mexikanische General Binsinger Mittel- und Südamerika. Unter dem Schutz der Araber entsteht in Skandinavien zunächst die internationale Händlerunion mit Sitz in Neu-Tromsö, eine Art Hanse, später zudem ein großskandinavisches Reich.
Die Hauptfigur heißt Hude Leblinski, allerdings er kein Held. Aufgewachsen unter faschistoider Terrorherrschaft in Stockholm wirkt er als Funktionär am Aufbau eines demokratischen Utopia mit, in dem alle verschiedenen politischen Richtungen einen Platz finden sollen. Die Manipulation der natürlichen Zeit, Time Engineering, spielt eine wichtige Rolle bei der Energiegewinnung.
Der Autor redet einer Utopie namens sozialer Pluralismus das Wort. Doch bevor dessen Fürsprecher, Prof. Odenheimer sein entsprechendes Buch vollenden kann, wird er von "christlichen" Terroristen ermordet, die die alte Zeit restaurieren wollen. So bleibt uns die Ausformung der Utopie vorenthalten (oder erspart?).
Die Übersicht erleichtern einige ziemlich klein geratene Landkarten, eine Chronologie und ein umfangreiches Glossar. Acht Kunstdrucke dieses aufwendigen Titels zeigen neben zwei Kirchen und einem venezianischen Gemälde, den Reichtum (besser: die Fülle) darstellend, vornehmlich Frieden und Stille Skandinaviens.
Fazit
Unbehagen beschleicht den Rezensenten bei so viel Lob auf den idyllischen Norden. Doch eine nur auf die 1200 km breite Zone beschränkte Umweltkatastrophe erscheint geradezu irreal, wenn man etwa die globalen Folgen von Tschernobyl bedenkt.
Trotz der gelegentlichen Relativsätze mit unpassender Hauptsatz-Syntax liest sich der Roman doch ganz nett. Allerdings sucht man die Kurzangebundenheit nordischer Sprecher hier vergebens – Geschwätzigkeit überwiegt. Achtung, Beispiel: Ein Buch für gemächliche Leser, die bewegt werden von soft Science Fiction und manchmal sogar einen Gedanken des Buches länger in der Brust vor und zurück. (Ende des Beispiels)
Michael Matzer / michael@matzer.de © 2000ff
Info: Nr. 06/4404, 461 Seiten
Wörter:
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