Skurrile Ideen hatte Burgess schon immer. "Ich sah ein Foto von Präsident Jimmy Carter und seiner Frau beim Fernsehen. Sie schauten drei Programme gleichzeitig an. Da kam mir der Gedanke, daß das die Art und Weise künftigen Fernsehens sein könnte."
Burgess geht aber noch weiter. In "Erlöse uns, Lynx" überträgt er dieses tangentiale System auf die Literatur, indem er die seiner Meinung nach wichtigsten Ereignisse dieses Jahrhunderts in einem Medium vereint: "...die Entdeckung des Unbewußten durch Sigmund Freund, die Lehre trotzkis vom Weltsozialismus und die Erfindung der Weltraumrakete..."
Pfiffig inszeniert er Freuds Biografie, seinen Kampf um seine Theorien und gegen seine Macken, alles sehr amüsant und informativ. Dazwischen eingestreut findet der Leser ein Trotzki-Musical, mit schönen Szenen und langen Gesängen. Auf dem "dritten Kanal" schließlich läuft ein Science Fiction-Thriller: Das Weltende tritt der guten alten Erde um die Jahrtausendwende in Gestalt des Kometen Lynx entgegen: Er richtet auf ihr einiges Unheil an, bevor er sie zerstört. Doch die Technokratie soll überleben: Die Regierung baut eine Rettungsrakete namens AMERIKA und bestückt sie mit den 50 klügsten Wissenschaftlern. Als das Ende kommt, bekommen diese von Courtland Willet, einem versoffenen Hamlet-Darsteller, einem barock-anarchischen Charakter, zwei Videobänder mit auf die Reise ins Ungewisse: eine Freud-Biografie und ein Musical über Trotzki. Die Handlungsstränge werden also in der Schlußsequenz wieder vereint.
Er schreibe "...nicht ledern oder tendenziös genug...um ihn zu bekommen...", meint Burgess, auf den Nobelpreis angesprochen. Eines muß man ihm aber bescheinigen: Er schreibt amüsant und fesselnd ohne Bruch, er bleibt offener und spannender, da er seine Botschaft weniger explizit als in seinen anderen Romanen formuliert ? und da ist viel Nachdenkenswertes, Nachdenkliches geblieben.
