Detlev Bluhm

Das Geheimnis des Hofnarren

Roman. Kiepenheuer und Witsch Verlag, ISBN: 3-378-00623-4

Detlev  Bluhm: Das Geheimnis des Hofnarren

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Ausgrabungen an der Oberfläche

Detlev Bluhms Roman „Das Geheimnis des Hofnarren“

Folgt man Arno Schmidt, hatte sie einst bereits Edgar Allan Poe für seinen „Arthur Gordon Pym“ die Phantasie entzündet, James Fenimore Cooper zu einer Satire, den „Monikins“, angeregt und Adalbert von Chamisso zu einigen prachtvoll gehärteten Terzinen geführt.

Die „Insel Felsenburg“ des Johann Gottfried Schnabel, zwischen 1731 und 1743 vierbändig erschienen - ihren heutigen Titel erhielt sie übrigens erst in der Bearbeitung von Ludwig Tieck -, diese „Insel“ also ist es, der man damals eifrig hinterherschrieb und die sich jetzt auch der Berliner Autor und Kleinverleger Detlev Bluhm, bisher mit einer Kulturgeschichte des Tabaks hervorgetreten, als Taktgeber für seinen ersten Roman auf den Schreibtisch gestellt hat.

Wo seine großformatigen Vorgänger sich mit ihren Werken auf der thematischen Grundlage abenteuerlicher Südseefahrten bewegten, wird hier eine reichlich seltsame Buchausgabe jener „wunderliche(n) Fata einiger See-Fahrer“ zum bibliographisch fixierten Ausgangspunkt eines recht flott erzählten Romans. Claudia Schuster, Tochter eines Berliner Antiquars und angehende Ethnologin, die mit ihrem Frühstückskaffee schon mal ein knuspriges Canetti-Zitat von den Lippen spült und mit ihren jungen Jahren als Mitherausgeberin einer ererbten Fachzeitschrift auch sonst verblüfft, stößt in der wohldotierten Grunewaldbibliothek ihres Vaters Simon auf eine geheimnisvolle Unregelmäßigkeit in einer Felsenburg-Ausgabe von 1751. Offenbar ein Unikat, wie ein eher zufälliger Textvergleich verschiedener Exemplare derselben Auflage beweist.

Eilige Recherchen führen das Vater-Tochter-Gespann zurück ins 18. Jahrhundert, hinein in den intrigenreichen Höflingskreis um Friedrich August II., Kurfürst von Sachsen. Die mit einem aufwendigen Exlibris ausgestattete Schnabel-Ausgabe stammt offenbar aus der umfangreichen Privatbibliothek von Johann Ernst Schneller, dem kurfürstlichen Hofnarren. In jener Zeit wußten die verbeamteten Spaßmacher Schellenkappe und kichernde Verrenkung längst auszutauschen gegen das hochgeschlossene Gewand und abgemessene Gebärdenspiel des einflußreichen und einflüsterungslustigen Beraters. Die Zeitläufte und eine delikate Spionageaffäre zwangen den reich gewordenen Schneller, sein beträchtliches Goldvermögen verschwinden zu lassen. Und ausgerechnet in seinen von Abenteuerlust angefüllten Schnabel ließ er auf kunstreiche Weise eine verschlüsselte Karte einbinden, mit der der Schatz nachmals hätte aufgefunden werden können. Aufschluß über die verstrickten politischen Zusammenhänge gibt andeutungsweise die Kopie des fragmenthaft erhaltenen Schnellerschen Tagebuchs, in dessen Besitz die beiden Schusters sich bringen können.

Wo zunächst ein knapper Luftstoß den Staub von einem der erklärten Lieblingsbücher Arno Schmidts herunterfegt und dem erwartungsvollen Leser einen Blick zu versprechen scheint hinweg über die lederne Schulter eines handlichen Kleinoktavbändchens und hinein in seitenknisternde Entdeckungsphantasien, in denen man Welten vierzigzeilig wie Bücher verschlingt, bevölkern unversehens allerlei so gar nicht papierne Gestalten die Szenerie. Ruhmsucht, beruflicher Ehrgeiz und Geldgier treiben etwa einen ambitionierten Staatssekretär, einen ebenso ambitionierten Juraprofessor, einen mordlustigen Antiquitätenhändler und eine doppelzüngige Literaturkritikerin (ausgerechnet!) auf eine stellenweise kolportagehaft aufgemotzte Schatzsuche.

Schnell verblasst die verheißungsvoll angeblätterte Welt des alten Buches, schnell verschütten Intrigen und Kabalen wie ehedem bei Schwanitz im „Campus“ den spannenden Abstieg in die Geschichte mit eben jener feuchtschweren Erde, in der man nach den goldenen Reichtümern wühlt. Einzig holzschnittartig bleiben da nicht die Bildbeigaben längst vergessener Drucke, sondern leider auch die einseitig (im wahrsten Sinne) gestrichelten Figuren. Wer sich daran nicht weiter stören mag, erhält ein nettes Büchlein für den faulen Sonntagnachmittag, unterhaltsam an der Oberfläche und tiefgründig allein jene paar Meter, die man sich drei prall gefüllten Holzkisten entgegengräbt.

Eco, Antonia S.Byatt, Klaas Huizing vielleicht, auch Luis Buss, Ross King oder Arturo Perez-Reverte haben´s da doch besser vorgemacht und mit ihren gediegenen Schmökern ein regelrechtes Genre des „Buchbuches“ in den Listen plaziert. Um den manchmal aufschlußreichen Gegensatz von Buch und Welt, um den erschließenden, manchmal verschließenden Wirklichkeitszugriff der Lektüre, wie er von Cervantes bis Borges vorgeführt worden ist, geht´s hier aber nicht, das Buch selbst bringt nur die Handlung in Gang, dann hat die Welt sie alle wieder. Wie gesagt: das rechte Buch vielleicht für den faulen Sonntagnachmittag. Aber fragen Sie mich mal am Montag ...

Oliver Jahn






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