John Barnes

Mutter der Stürme

SF. Heyne, München. 732 Seiten. ISBN: 3453109066

Unterhaltsamer Katastrophen-Thriller
John  Barnes: Mutter der Stürme

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Wahrscheinlich fühlt jeder erfolgreiche SF-Autor einmal den unstillbaren Drang, einen richtig großen Roman zu schreiben, der dem Leser eine Welt im Panorama zeigt. Heinlein hat das mit "Fremder in einer fremden Welt", John Brunner mit "Morgenwelt" getan - die Reihe ließe sich noch lange fortsetzen. Nun reiht sich auch John Barnes ein - nicht der schlechteste Erzähler, wie man von seinen anderen bei Heyne veröffentlichen Büchern weiß.

Wie so viele Szenarien in der SF folgt auch "Mutter aller Stürme" (Saddam sei Dank für diesen Titel) einer experimentellen Idee: "Was geschieht mit der Welt, wenn der Mensch eine natürliche Bombe - willentlich oder unwillentlich - zündet und die Gesetze der Chaostheorie auf die Folgen angewendet werden?" Bereits in Spielbergs "Jurassic Park" wurde die Gültigkeit der Chaostheorie demonstriert. Die Rede war z.B. von "merkwürdigen Attraktoren" usw. Sie tauchen auch in Barnes Roman auf.

Handlung

Im Jahr 2028 sind praktisch alle Menschen auf der Erde miteinander durch große Mediennetzwerke verbunden, z.T. sogar durch Implantate. So haben etwa 750 Mio. Leute zugeschaut, als ein Raumpilot über dem Nordpol vier Antimaterie-Raketen ins ewige Eis abfeuert - ein echtes Medienspektakel. Das Nachspiel jedoch erweist sich auch für den Rest der Welt von erheblicher Tragweite: Die Explosionen setzen den unter dem Meeresboden und dem Eis liegenden Vorrat an Methan frei: rund 173 Mrd. Tonnen. Dadurch steigt innerhalb kürzester Zeit der Methangehalt der Atmosphäre auf das 35fache des Gehalts im Jahr 1996. Die unerbittliche Gesetze der Chemie fordern, daß sich die Atmosphäre und vor allem das Meer erwärmen. Dies wiederum läßt im Pazifik den größten Wirbelsturm entstehen, den die Welt gesehen hat: Er mißt mehrere 1000 km im Durchmesser und erreicht die doppelte Wucht der stärksten Orkane.

Die Reaktion der Regierungen auf die Katastrophe ist erst einmal, die Zuständigkeit abzuklären, sich zu informieren und die Schuldfrage zu stellen. Die fast allmächtige UNO muß den schwachen USA noch ein paar Rechte abtreten, schon kann die Präsidentin auch wieder handeln. Während der Super-Taifun mit dem Spitznamen "Clem" Hawaii und zahlreiche US-Inseln plattmacht und laufend neue Ableger zeugt, die Mexiko und die Karibik verwüsten, wird die US-Bevölkerung in die Berge evakuiert. Dennoch kommt es durch Informationslecks zu einem globalen Aufstand, der zu enormen Verwüstungen führt. Hierin hat der aus dem Chaos geborene Orkan sein psychosoziales Gegenstück gefunden.

Als guter Erzähler führt Barnes die Folgen der globalen Katastrophe anhand des Schicksals von Einzelpersonen vor Augen. Er hat für alle genügend Sympathie, um auch die abstoßendsten Charakterzüge verständlich erscheinen zu lassen. So ist beispielsweise der engste Berater der US-Präsidentin ein Mädchenschänder und -killer. Viele Romanfiguren ändern sich, meist zum besseren. Eine Pornoschauspielerin im Gefühlsmediennetz XV (die "Zuschauer" erleben ihre Sexspiele live mit) etwa verliebt sich, steigt aus und engagiert sich für ihre Mitmenschen: eine soziale Führerin. Eine andere Frau wandelt sich von der radikalen Ökologin über eine sexhungrige Egoistin hin zur Medienberichterstatterin, die fähig ist, eine andere Frau wirklich zu lieben.

Interessantestes Experiment ist sicherlich die Expedition zu den äußeren Kometen, die schließlich zur Rettung der Welt führt. Astronaut Louis Tynan, in der Mondumlaufbahn stationiert, läßt sich experimentell mit kleinen intelligenten Nanorobotern aufrüsten. Sie schwimmen durch seine Blutbahnen, vermehren sich und - vor allem - Tynans Intelligenz. Diese Entwicklung beschleunigt sich derart, daß ein Tag Erdzeit für ihn mehrere Jahre subjektiver Gehirnzeit bedeuten. Um die Reise zu den Kometen zu beschleunigen, streift er seine menschliche Hülle ab. Tynan holt einen dieser kosmischen Schneebälle aus seiner Bahn und leitet ihn zur Erde um. Dort schneidet er mit seinen Robot-Gehilfen große Scheiben Schnees ab und wirft sie in die Atmosphäre, wo sie sich in Kristalle auflösen. Diese verdunkeln die Sonne, so daß sich das schon 34° warme Meereswasser (Badewannentemperatur!) abkühlen kann: der Sonnenschirmeffekt. Es dauert eine Weile, bis alle Orkane verschwinden, aber wenigstens gibt es eine Chance für Überlebende.

Dieses Szenario ist nicht allzu weit hergeholt. Bereits jetzt brechen riesige Eisberge von den Antarktis-Gletschern ab - wegen der erhöhten im Ozonloch erhöhten harten Sonneneinstrahlung. Der Treibhauseffekt setzt jedes Jahr 1 oder 2 cm mehr der Südseeinseln unter Wasser - wie lange noch, bis Holland absäuft? Auch die Hurrikane treten vermehrt und mit größerer Wucht auf. Barnes extrapoliert lediglich Bekanntes. Dabei stellt er beeindruckende Kenntnisse der Wettermechanismen unter Beweis.

Fazit

"Mütter aller Stürme" ist ein beeindruckender Roman, der stellenweise durchaus zu verblüffen und zu fesseln weiß. Das Problem aller Panorama-Romane kann auch Barnes nicht bewältigen: Der Leser muß kontinuierlich lesen, um den Überblick über das Personal und die Geschehnisse nicht zu verlieren. Eine deutlichere Möglichkeit zu deren Einordnung - Daten, Orte, Personen - hätte nicht geschadet. Niven/Pournelle hatten dies in "Luzifers Hammer" vorbildlich gelöst. Auch in puncto Spannung könnte sich Barnes dort ein Stück abschneiden. Ansonsten liefert "Mutter aller Stürme" gute Unterhaltung, mit besagtem Lerneffekt, was die Chaostheorie anbelangt. John Brunner hätte die Warnzeichen allerdings weit deutlicher aufgestellt.

Michael Matzer (c)1997ff

Info: Mother of storms, 1994, Nr. 0605422, 733 Seiten, aus dem US-Englischen übersetzt von Martin Gilbert






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