Clive Barker
Das 5. Buch des Blutes
SF. Droemer Knaur, München. ISBN: 3426192578
Das Grauen aus den Nischen und Ecken
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Das Grauen aus den Nischen und Ecken
Mit seinen sechs "Büchern des Blutes" hat der neue britische Shootingstar des Horrors, Clive Barker, moderne Klassiker des Unheimlichen geschaffen. Am besten bekannt bei uns ist er für seine "Hellraiser"-Filme.
Die Stories
Die vorletzte Ausgabe der "Bücher des Blutes" enthält vier längere Erzählungen. Eröffnet wird der Reigen mit dem Gewinner des British Fantasy Awards 1986, "Das Verbotene" (The Forbidden).
Von den Bewohnern der Betonsilos der Spector Street hört die Studentin helen von den blutrünstigen Verbrechen eines Bonbonverkäufers (candyman), der einen eisernen Haken statt einer Hand besitzt. Auch die Graffitian den trostlosen Betonfassaden erzählen vom Mythos des Candyman. Immer faszinierter geht Helen dem Geheimnis nach, dringt in die verstockten, verängstigten Bewohner, bis sie selbst zum Ziel des Hakens wird. Die Story wurde verfilmt.
"Die Madonna" – Was für ein Wesen haust im verlassenen, baufälligen Schwimmbad der Leopold Road? Unheimliches geht dort vor, als zwei skrupellose Geschäftsmänner den Bau unter die Lupe nehmen. Eine amöbenhafte Urmutter setzt ihre übersinnlichen Kräfte ein, um die beiden Pechvögel auf unvorhersehbare Weise zu verwandeln.
"Babels Kinder" – Wie konnte der globale Holocaust seit jahrzehnten vermieden werden? Barker hat für seine leser eine überraschende Antwort parat. In der Abgeschiedenheit der griechischen Ägäis wacht seit 1962, also seit der Kuba-Krise, eine geistige und moralische Elite von 13 hellen Köpfen über die Welt. Diese treffen die Entscheidungen, die die scheinbar Herrschenden, die mit ihrer persönlichen Machtentfaltung überbeschäftigt sind, ausführen. Doch die 13 vergreisen zunehmend. Und was haben Froschrennen mit den globalen Krisenherden zu tun?
"Leibhaftig" (In the Flesh) ist die eindrucksvollste Novelle dieses Quartetts. Als der Häftling Cleve den schmächtigen Billy als Zellengenossen zugewiesen erhält, ist er ihm gleich nicht ganz geheuer, erkundigt er sich doch nach dem Grab von Cleves Großvater, der vor 60 Jahren hier gehängt worden war. Als ihn seine Träume ihn in die Totenstadt der Mörder versetzen, beginnt Cleve zu begreifen, wie der Kreislauf des Bösen die Übeltäter immer wieder auf die Welt losläßt, und welche Gefahr Billy droht. Doch wie kann man gegen Traumwesen, mögen sie auch noch so real sein, bestehen?
Fazit
Klar charakterisierte Personen, eine abgeschlossene, in sich logisch aufbauende Handlung, ein folgerichtiger und doch überraschender Schluß, schnörkellos auf den Punkt geschrieben, aufrüttelnd, provokant – das sind die Kennzeichen von Barkers Kurzgeschichten.
Anders als in den blutigeren zwei ersten Bänden entfaltet hier Barkers Kunst ihren Horror-Kitzel erst allmählich und subtiler. Es ist der Schauder, den Betonhochburgen und Gefängniszellen erzeugen. Der urbane Horror ist in den düsteren, verdreckten Ecken zu Hause, wohin das Licht der Öffentlichkeit nicht fällt – in der Vernachlässigung, am Rande, im Vergessen, in der Verdrängung.
Michael Matzer / michael@matzer.de © 2000ff
Info: Books of Blood Vol V, 1985; 272 Seiten, aus dem Englischen übertragen von Peter Kobbe
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